Markenmacher*innen dürften aufhorchen, wenn in diesen Tagen ein «Plädoyer für Marken!» erscheint (https://ndion.de/de/schluss-mit-improvisieren-ein-plaedoyer-fuer-marken/). Schließlich leben wir in einer Zeit, in der epochale und existenzielle Herausforderungen verhandelt werden. Und der Titel legt nahe, dass die Herausforderungen von – ja von wem? – nicht adäquat angegangen werden. Es muss «Schluss mit Improvisieren» sein. Und der Titel suggeriert, dass «Marken» im Zentrum des Handelns – von wem? – stehen müssten.
Markenmacher*innen stossen auf den Beitrag von Lutz Dietzold auf «ndion», der «Content-Plattform des Rat für Formgebung, der sich seit seiner Gründung 1953 für die wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Relevanz von Design, Marke und Innovation einsetzt.» Sie werden allesamt dankbar sein, dass sich diese Organisation seit Jahrzehnten für Belange einsetzt, die ihnen so am Herze liegen.
Können sie, die Markenmacher*innen, auch dankbar sein für das Plädoyer für Marken in diesen Zeiten? Ich denke nicht.
Angesichts der aktuellen Situation ist die marktschreierische Aufforderung «zu handeln», weil das scheinbare Improvisieren der Unternehmen schon allzu lang «wohlkomponierte Marken-Installationen in den Hintergrund rücken», eine Zumutung. In den Mittelpunkt wird ein vermeintliches Problem gerückt, das nach vernünftigen Maßstäben nicht existiert. Und wenn es denn existieren sollte, dann gehört ein gehöriges Maß an Zynismus dazu, es in diesen Tagen so ins Rampenlicht der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit rücken zu wollen. Schließlich müssen verantwortliche Akteure in Unternehmen nicht für derart dumm verkauft werden: «Es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder auf eine stringente und übergreifende Markenführung besinnen.» Das «wir» meint, wie so oft in derartigen Grußworten, nur «die Anderen», es wird den Autor sicherlich nicht einschließen.
Das belegen seine weiteren Ausführungen. Er ist à jour. Er weiss, dass die Zukunft ungewiss ist. Da ist ihm und seiner Kritik an «Sterndeutern» zuzustimmen. Er weiss auch – aber welche der adressierten Unternehmer*innen sollte dies nicht wissen? – dass die Zukunft zu gestalten ist. Dass es sinnvoll ist, reale und virtuelle Welten im Sinne positiver Erlebnisse für Kund*innen zu verknüpfen, ist nicht nur bei einigen «leuchtenden Beispielen» hinlänglich bekannt. Nicht aufgefallen ist dem Autor, dass die Verwandlungsfähigkeit des Schirms einer Nachttischlampe in einen Schutzhelm nicht das überzeugendste Beispiel für den möglichen Beitrag von Gestalter*innen zur Bewältigung von Katastrophen – aktuell erleben wir eine mit globalen Ausmaßen, mit einer unerträglich großen Zahl an Leidenden, und ohne das Problem herabfallender Gegenstände – sein sollte. Er hätte dieses Beispiel besser nicht so prominent erwähnt.
So wie er, und dies ist abschließend mein modest proposal, einige andere allzu vollmundige Aufforderungen an «uns» besser weggelassen hätte. Nicht zuletzt diese: «Befreien wir uns von den Stigmata und gehen wir in Zukunft zuversichtlicher mit Krisen um». Ich möchte ihm vorschlagen, in Zukunft mit den Problemen und Herausforderungen anderer Menschen respektvoller umzugehen und dabei zu beachten, dass nicht immer viel gesagt wird, wenn viel geredet wird.