The Business of Brand Management
Corporate Architecture Library

Die Rolle der Architektur in der Markenführung.

Das Bestreben von Markenunternehmen, eine möglichst konsistente Brand Experience über alle Touchpoints hinweg zu erreichen, zieht für die Kategorie „Corporate Architecture“ ein ganzes Bündel neuer Herausforderungen nach sich. Stellt sie sich diesen neuen Anforderungen nicht, wird sie in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, effektiv in die Marke einzuzahlen. Bezog sich die Aufgabestellung von Corporate Architecture bislang auf Messen und Ausstellungen, Showrooms und Shops, Lobbys und repräsentative Innenräume, muss sie heute sehr viel mehr leisten und etwa auch die Außenarchitektur von Gebäuden mit einbeziehen. Aber wie kann Architektur, wie können Architekten das leisten?

WOW-EFFEKTE DURCH IKONOGRAFISCHEN BAUTEN? DAS GEBÄUDE ALS (MARKEN)STAR.

Im Januar 2018 zitierte Florian Siebeck in der FAZ den Architekten Ben van Berkel: „Um die Jahrtausendwende, als Architekten viele ikonografische Bauten für Marken machen mussten, waren wir in einer schwierigen Phase. Kunden kamen und sagten: Wir haben das schon entworfen, Sie müssen es nur noch ausführen. Da wurde so viel produziert, so viel Imagepflege betrieben, dass Gebäude entstanden sind, die außer ihrer Schönheit nichts haben.“ 

Wie konnte es passieren, dass ausgerechnet Architekten, die immer wieder öffentlich Verantwortung für ihr Planen und Schaffen reklamieren, plötzlich von „WOW-Effekten“ sprechen? Dass sich „Architektur-Platzhirsche mit globaler Look-at-me-Architektur“ und sogenannten „Signature Buildings“ gegenseitig die Schau stehlen, was in der österreichischen Presse als „Ego-Architektur“ und „Karneval der Alphatiere“ verspottet wurde? Mit Marke und ihren Werten hat dieser architektonische Exhibitionismus wenig zu tun. Zudem darf man unterstellen, dass dieser Ansatz auch nicht dem Anspruch an Architektur im Allgemeinen genügt oder dem Selbstbild renommierter Architekten entspricht. 

Was also hat sich da ereignet? War es die Geld-Geilheit auf der Auftraggeber- wie Auftragnehmer-Seite? War „America first“ – ich zuerst –  auch hier schon der Motor? Waren der Architektenszene die Anforderungen von Marken nicht bekannt? Oder wurden sie von den Auftraggebern nicht richtig gebrieft? Kaum vorstellbar, hat doch beispielsweise Ole Scheeren (damals noch bei Rem Koolhaas) für PRADA in New York offenbar genau verstanden, was es bedeutet, eine Marke architektonisch zeitgemäß zu interpretieren – wenngleich es sich in diesem Fall letztlich auch nur um einen Showroom handelt.

NEHMEN UNTERNEHMEN UND INSTITUTIONEN ARCHITEKTUR ÜBERHAUPT ALS TOUCHPOINT IHRER MARKE WAHR?

Man darf es bezweifeln. Zu den Negativ-Beispielen, die eher den oben genannten Ausführungen und Anforderungen entsprechen, gehört neben vielen anderen BMW mit seiner Vier-Zylinder-Hauptverwaltung in München. Ein positives Paradigma hingegen entwickelte VITRA mit seinem Unternehmens-Campus in Weil am Rhein, der in seiner Weise von einem reflektierten Rolf Fehlbaum, der wie kaum jemand sonst verstanden hat, was eine Marke ist, geradezu ideal initiiert wurde. Ein weiteres Vorbild – auch im Hinblick auf eine veritable Touchpoint-Architektur – ist wieder einmal APPLE mit seinem neuen Headquarter, das noch vom Visionär Steven Jobs zusammen mit Norman Foster auf den Weg gebracht wurde. Es handelt sich hierbei um ein herausragendes Beispiel für ein gesamtheitliches Markenverständnis – trotz der vielen Kritiken. Was die Frage aufwirft, ob es womöglich auch hier insbesondere die Visionäre sind, die mit Mut, Verantwortungsbewusstsein und Durchsetzungsvermögen die entscheidenden Impulse geben? 

SIGNATURE BUILDINGS ODER BRANDED BUILDINGS?

Aus der Überschrift „Auf diese Marken können sie bauen“ in der FAZ im März 2018 sprach eine gewisse Hoffnung, dass die Architektur ein neues Verhältnis zu Marken gefunden hätte. Allerdings bezog sich der Beitrag auf „Branded Buildings“ oder „Branded Residences“ – Wohnhäuser, die seit einiger Zeit als (Luxus-)Marken gebranded werden. Es mag ja durchaus so sein, dass quasi „in der Marke leben“ ein umfassendes Markenerlebnis vermittelt. In erster Linie dürfte es sich aber um eine konventionelle Vermarktungsstrategie handeln, die vornehmlich darauf abzielt, den Absatz der Immobilie bzw. deren Wohnungen zu unterstützen, selbst wenn die Außenarchitektur – und nicht nur die Innenarchitektur – den Qualitätsmaßstäben und der Designsprache von Luxusmarken entspricht und zudem eine praktikable Orientierungshilfe bietet, wie sich das für eine gute Marke gehört. Aus der Perspektive eines unternehmensstrategischen Ansatzes heraus, der das Unternehmen und seine Prozesse im Sinn einer „Brand Orientation“ neu zu organisieren sucht, helfen derartige Betrachtungen allerdings nicht weiter.

POSITIVES BEISPIEL: DER AKTUELLE HOCHSCHULBAU.

Im anhaltenden Bauboom der Universitäten und Fachhochschulen kommt der Architektur eine neue Rolle zu. Der Wettbewerbsdruck zwischen den Hochschulen erfordert Differenzierung – sowohl durch Aufmerksamkeit als auch über Reputation. Bauliche Entgleisungen wie „hippe Logos“, „modische Spektakel“, „Werbeeffekte“ und „architektonische Paukenschläge“, wie sie Arnold Bartetzky beschreibt, sind hier wie andernorts kontraproduktiv und fehl am Platz, während die klassische Markenphilosophie den Hochschulen in die Karten spielt. Seriöse Marken bauen auf nachhaltige Werte auf und vermeiden es, kurzfristigen modischen Trends zu folgen. Vor dem Hintergrund eines solchen Markenverständnisses sind Aufmerksamkeitsökonomie und Service Design heute wichtige Kriterien. Die Hochschule als Marke differenziert sich durch ihr spezifisches Wissens- und Lehrangebot, ihre gelebten Werte und durch eine konsistente (Marken-)Kommunikation. Architektur kommt in diesem Kontext eine wichtige Kommunikationsrolle als Identitäts-, Qualitäts- und Service-Stifter zu. Einen interessanten Aspekt in diese Richtung zeigt das Interview des Wirtschaftsmagazins brand eins mit Gunter Henn auf. Der Architekt, der Unternehmenszentralen für chinesische Versicherungskonzerne, deutsche Banken, Forschungszentren für BMW, Merck und die Gläserne Manufaktur für VW entworfen hat, sieht in Gebäuden Instrumente zur Selbststeuerung von Unternehmen. Gebäudestrukturen fördern seiner Meinung nach die Kommunikation, die wiederum Voraussetzung für Innovation ist. So gesehen, entsteht Innovation durch Austausch in Prozessen, die durch Gebäude gefördert und optimiert werden können. 

Foto: Jörg Hempel

REPUTATION DURCH ARCHITEKTUR: MODERNER CAMPUS IM BAROCKEN SCHLOSS.

Wie kann Architektur für eine Hochschule Aufmerksamkeit und Reputation fördern, deren (Marken-) Werte unterstreichen und nicht zuletzt durch veränderte interne Prozesse dazu beitragen, die Performance der Institution und ihrer Marke zu verbessern? Einen bemerkenswerten Weg, diese Aufgaben zu lösen, ist die Mannheim Business School (MBS) zusammen mit den Architekten Schneider + Schumacher gegangen. 

Das Mannheimer Schloss, im 18. Jahrhundert erbaut und einst Residenz der Kurfürsten von der Pfalz, wird schon seit Jahrzehnten von der Universität Mannheim genutzt. Auf 1.700 Quadratmetern entstanden hier an Stelle der stillgelegten Heizzentrale und dem dazugehörigen Kohlenkeller aus den 1950er Jahren die neuen Räumlichkeiten für die Mannheim Business School (MBS). Das neue Studien- und Konferenzzentrum im zweitgrößten Barockschloss Europas verfügt seit dem Umbau über zwei Hörsäle, ein Konferenzraum und zehn Gruppenarbeitsräume. Die in den Garten eingeschnittene Anlage bildet zusammen mit den historischen Gebäudeteilen eine markante Einheit, die symbolisch für die Bewahrung der Tradition steht, gleichzeitig aber auch die Bedeutung von Innovation signalisiert. Das Projekt ist vergleichbar mit der unterirdischen Erweiterung des Frankfurter Städel Museums, die ebenfalls von schneider+schumacher realisiert wurde. 

Als organisatorisches Dach für die Management-Weiterbildung an der Universität Mannheim ist die Mannheim Business School eine der führenden Institutionen ihrer Art in Europa. Die englischsprachigen MBA-Studiengänge, Management-Intensivkurse und Weiterbildungsprogramme für Unternehmen werden regelmäßig in den Spitzengruppen der internationalen Hochschul-Rankings gelistet. Im Mai 2017 landete die MBS im Financial Times-Ranking der weltweit besten Anbieter von Firmen-Weiterbildungsprogrammen zum vierten Mal in Folge unter den Top 20. In allen weltweit wichtigen MBA-Rankings (The Economist, Financial Times, Bloomberg Businessweek und Forbes) war die Mannheim Business School 2017 die Nummer eins in Deutschland und gehörte zu den Top 20 in Europa. Doch in einer Kategorie konnten die Mannheimer in der Vergangenheit nicht punkten: Ihre Räumlichkeiten wurden stets als unterdurchschnittlich bewertet. Dies dürfte sich mit dem spektakulären Neubau geändert haben.

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Ein Beitrag von:
23. Oktober 2018

Günther Misof ist Founder und Editorial Director von THE BUSINESS OF BRAND MANAGEMENT. Er verfügt über mehr als vierzig Jahre Erfahrung in Markenführung/Brand Management als Gründer, Geschäftsführender Gesellschafter, Partner und Managing Director von mehreren Beratungsunternehmen in Frankfurt am Main und New York.