Die Enden der Parabel
Sparen wir uns arm, macht es die Menschen krank. Gibt es zu viel Auswahl, macht uns das – bei aller Begeisterung für Vielfalt – unglücklich.
Nicht erst seit es Schwarz auf Weiß belegbar ist, wissen wir, dass es Grenzen gibt, die, überschreiten wir ein gewisses Maß, das Gegenteil von dem bewirken, was wir in bester Absicht als erstrebenswert erachten. Shigeo Haruyama, ein berühmter japanischer Arzt bringt es auf den Punkt: „Das Maß entscheidet, ob etwas zum Heilmittel oder zum Gift wird.“ Ganz offensichtlich ist Maßhalten in dem was und wie wir etwas tun eines der großen Herausforderungen unserer Zeit. Wirtschaft und Politik haben sich ins Sparen verliebt. Die Controller auf der einen Seite und die politischen Mahner auf der anderen Seite. Je lauter der Ruf der Analysten nach Quartalszahlen wird und je mehr Vorstände sich davon unter Druck setzen lassen, desto mehr erodiert, dass, woraus die Unternehmen Kraft und Zukunftskapital schöpfen. Die „Ressource“ Mensch strauchelt unter der Last des unermüdlichen Ringens um Effizeinz und stellt sich zunehmend die Sinnfrage. Die weichen Faktoren, zu denen immer noch Mensch, Marke und Kommunikation zählen, werden meist zuerst den unbegrenzten Einsparmöglichkeiten geopfert. Leider bleibt das nicht ohne Folgen. Marken und ihr mühsam aufgebautes Markenkapital haben eine äußerst geringe „Halbwertszeit“. Die Mahnungen vieler Kommunikations- wie Markenverantwortlichen in den Unternehmen bleiben allzu oft ungehört und zerschellen im Börsengewitter der Algorithmen die begierig nach immer mehr in immer kürzerer Zeit verlangen.
Nicht von ungefähr zählen Geiz und Maßlosigkeit zu den sieben Todsünden. Auch das digitale Zeitalter hat daran nichts geändert. Nicht erst Google, Amazone & Co, haben grenzenlose Auswahl und unbegrenzte Möglichkeiten in den Märkten genährt. Wir müssen wohl erkennen: Ein Zuviel an Produkten und Dienstleistungen, an Informationen und Kommunikationsimpulsen lässt uns eher hilflos als beglückt zurück. Weder für die Unternehmen, noch für ihre Marken, noch für den Konsumenten entsteht ein Mehrwert. Wie sollen wir entscheiden, ob wir etwas haben wollen oder nicht, wenn selbst Low-Interest Produkte wie Marmelade, Putzmittel oder Schrauben uns kontinuierlich immer mehr Entscheidungen abverlangen? Neueste Studien belegen eindrücklich: Ein Zuviel lässt uns ratlos zurück. Am Ende siegt die Unentschiedenheit und die macht uns unglücklich.
Nur das Machbare im Blick zu haben ist kein Ausweg. Wollen die Unternehmen auch morgen noch Produkte und Dienstleistungen anbieten, die für die Kunden relevant sind, müssen sie die Sinnfrage stellen, weil für die Menschen zunehmend die Frage nach dem Sinn im Vordergrund steht, ob als Konsument oder als Mitarbeiter.
Der Beitrag gehört zu einer Reihe von Rückblicken und wurde erstmalig im Juni 2013 im HANDELSBLATT veröffentlicht.