The Business of Brand Management
A Modest Proposal

Schweigt, wenn ihr nichts zu sagen habt.

Prof. Dr. Jürgen Häusler

Natürlich kann man Ruediger Goetz nur zustimmen, wenn er (in: Horizont am 27. März 2023) darauf hinweist, dass sich die Designbranche mit ihrer reflexartigen «Stilkritik selbst marginalisiert». Ihm ist noch enthusiastischer zuzustimmen, wenn er die Frage, ob ihm das zur Diskussion stehende (neue) Logo (von New York) persönlich «gefällt» (!?!) für eine «gänzlich irrelevante Frage» hält.

Weniger erhellend ist dann die (trotz der Vorrede) längere Auseinandersetzung mit den Vorzügen und Nachteilen des neuen (und des alten) Stadtlogos. Die Argumente sind bekannt und passen auf einen Bierdeckel. Die jeweiligen Beurteilungen in der Branche (und beim «Volk») ergeben am Ende das erwartbare Spektrum von (meist) Ablehnung und (seltener) Zustimmung oder Begeisterung. Es sind nicht die jeweiligen Details dieses medial freudig vermittelten Wirrwarrs unterschiedlicher berufener Stimmen, die interessieren. Es ist dieses ritualisierte Schauspiel selbst, das vielleicht zunächst (manche) unterhält, auf Dauer aber in jedem Fall die Zuschauer*innen langweilt oder sogar abstösst. In anderen Worten: die (hoffentlich) unbeabsichtigte Konsequenz des allgegenwärtigen «Beißreflexes» (Horizont) der Designbranche ist ihre Marginalisierung bei Beobachter*innen. Soweit, so ärgerlich.

Aber es wäre bis hier (als reine Insider-Diskussion zur handwerklichen Qualität von Städtelogos) nicht weiter bemerkenswert. Für selbstkritische und umsichtige Markenmacher*innen verbirgt sich hinter dem Marktgeschrei eine ganz andere Frage: Bewirken wir mit unserer Arbeit etwas? Noch direkter: Machen bessere Stadtlogos bessere Städte? Nicht nur Ruediger Goetz ist überzeugt: Das alte Logo «hat den Bewohner*innen der Stadt seinerzeit neuen Stolz vermittelt» – eine sehr gewagte These, der in den zahlreichen ernsthaften Studien zur Entwicklung der Stadt New York in den 1970er- und 1980er-Jahren eher widersprochen wird. Nicht überzeugend ist auch die Hoffnung, dass das neue Logo «New Yorker:innen unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten zusammenbringen» wird. Die tägliche Berichterstattung der New York Times weist da in eine ganz andere Richtung.

Was ist also für ernsthafte Markenmacher*innen wirklich aufregend an der (hier stellvertretend geschilderten) Stadtlogo-Debatte? Ihre Blindheit gegenüber dem (eher erschütternden) alltäglichen Kontext der Stadtentwicklung und ihre Naivität hinsichtlich der (positiven) Wirkungen der eigenen Arbeit. Können die an gutem Handwerk interessierten Entwickler*innen von Stadtmarken den tatsächlichen Zustand der Stadt komplett ignorieren (fühlen wir uns wohl als Trittbrettfahrer*innen schnell durchschaubarer Verkaufsaktionen städtischer Machteliten)? Spielt das Stadtlogo wirklich eine irgendwie bedeutende Rolle, wenn es um die städtische Entwicklungsdynamik geht (wie sehen die Stadtlogos der dynamischsten zehn Städte der Welt aus)? Ist das Programm zur Weiterentwicklung der Stadtmarke tatsächlich begleitet von Maßnahmen, die städtische Krisenphänomene (Segregation, Armut, Hunger, Wohnungsnot, Verkehrskollaps, Umweltzerstörung, Klimakatastrophe) nachhaltig bekämpfen?

Natürlich tauchen in der Debatte um die «Qualität» von neuen Stadtlogos solche grundlegenden Fragen nicht auf. Das würde die Zunft ganz offensichtlich überfordern. Daher mein modest proposal für das city branding: if you can’t do right, don’t do it! Und verbreitet nicht so viel bullshit dazu!

Ein Beitrag von:
28. März 2023

Über den Autor:

Prof. Dr. Jürgen Häusler ist Honorarprofessor für strategische Unternehmenskommunikation an der Universität Leipzig. Bis zum Eintritt in den Ruhestand 2015 war er Chairman bei Interbrand Central and Eastern Europe, und hat Unternehmen und Organisationen weltweit bei der Entwicklung von Marken beraten. Als Sozialwissenschaftler hat er u.a. am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln gearbeitet.

Kontakt:
juergenghaeusler@gmail.com