Du bist sowas von tot, oder: Marketing-OCP.
Liebe Leserin, Lieber Leser,
zunehmend gehört es zum Inventar unserer Branche, dass mehr oder weniger ausgewiesene Experten dem Zwang unterliegen, ständig irgendwas für tot zu erklären. Entsprechend mussten wir bereits von zahlreichen Konzepten, Methoden, Instrumenten oder Kanälen für immer Abschied nehmen, wobei ihr Ableben sich oft genug nur als Scheintod erwiesen hat, dem eine prompte Wiederbelebung folgte. Angeblich tot waren bereits: AIDA-Formel, ATL, BTL, Branding, Marke und Markenartikel, Marktforschung, PR, Segmentierung, Sponsoring, Print-Werbung, TV-Werbung, Werbung überhaupt, USP,… wir könnten ewig so weitermachen. Aktuell müssen wir erfahren: Jetzt ist auch noch das Consideration Set tot!
Bevor wir aber die schwarzen Klamotten rausholen, lesen wir lieber erstmal nach, warum das ehrwürdige Consideration Set denn in die ewigen Jagdgründe der Absatzwirtschaft auffahren soll. Begründung des Autors: Consideration sei nur ein Modell, dass die Realität nicht abbildet, und in Wahrheit hätten die Konsumenten gar nicht nur das eine Set an Marken im Kopf, sondern ganz verschiedene, abhängig von Kontext und Stimmung. Als „Beweis“ werden zwei Beispiele aus der Automobilwirtschaft angeführt: In der Marktforschung gäben viele Menschen Automarken als „considered“ an, obwohl sie sich die gar nicht leisten könnten. Und außerdem hätte ein Fünftel der Befragten eh nur eine Marke im Kopf, nämlich die, die sie gerade fahren.
Was soll man dazu sagen? Erstens ist ein Modell bekanntlich immer eine vereinfachte Abbildung der Wirklichkeit. Zweitens erheben gute Marketing-Manager das Consideration Set immer kontextabhängig; deshalb beginnen ja die Fragen in der Marktforschung so oft mit „Denken Sie nun einmal an…“. Und drittens ist es völlig in Ordnung, Consideration auch gestützt abzufragen. Kurz gesagt: Hier haben wir nur ein weiteres Beispiel für Marketing-OCP (Obsessive Compulsive Disorder), in diesem Fall eben den Drang, das Ende bewährter Konzepte zu verkünden. Hoffen wir, dass solche Kolleginnen und Kollegen als „Second Career“ nicht auch noch Medizin studieren wollen… Oder was meinen Sie?
Hier der Link, falls Sie sich etwas gruseln wollen:
https://brandingstrategyinsider.com/the-myth-of-the-consideration-set