Der gebrandmarkte Feind. Wie Trump Menschen zu Marken macht
Anfang Juli fragt ein Journalist nach der politischen Verantwortlichkeit für die Überschwemmungen in Florida. Donald Trump reagiert nicht mit einer sachlichen Antwort, sondern mit einer Schmähung. Der Reporter sei „a disgusting human being“. Zwei Tage später kritisieren Mitglieder seiner eigenen Koalition mögliche Verbindungen zu Jeffrey Epstein. Trumps Antwort auf Truth Social: „These are very bad people. Sick, deranged and evil.“ Kein Widerspruch, keine Erklärung – nur moralische Verdammung.
Diese Episoden zeigen ein Muster: Trump bezeichnet Kritiker nicht einfach als politische Gegner, sondern als böse Menschen. Es geht nicht mehr um Fakten oder Positionen, sondern um die moralische Disqualifikation des Gegenübers. Wer fragt, wer zweifelt, wer widerspricht, wird zum „enemy of the people“ – ein Begriff, den Trump bereits 2017 wiederholt gegen Medien verwendete. Damals schrieb er auf Twitter: „The FAKE NEWS media […] is the enemy of the American People.“
Diese Rhetorik folgt einer klaren Strategie: Trump etikettiert Menschen mit Begriffen, die wie Marken funktionieren – prägnant, wiederholbar, vernichtend. „Deranged Jack Smith“, „Crooked Joe“, „Sleepy Joe“, „Disgusting Ron DeSanctimonious“ – solche Bezeichnungen schaffen Identität durch Vereinfachung. Sie brennen sich ein und lassen keine Grautöne mehr zu.
Diese moralische Brandmarkung folgt der Logik der Markenbildung: Sie reduziert Komplexität, schafft Wiedererkennbarkeit, emotionalisiert – und verwandelt Menschen in markierte Feindfiguren, deren Identität sich fortan auf ein einziges, entmenschlichendes Etikett verdichtet.
Was 2016 mit „Crooked Hillary“ begann, wurde systematisch ausgebaut. Die mediale Opposition wurde zum „enemy of the people“, Widerspruch in den eigenen Reihen zum Hochverrat: „What they have done is treason“, sagte Trump im Mai 2020 über Vertreter der Obama-Regierung. Auch auf die Capitol-Untersuchung reagierte er 2022 mit: „These people are evil, sick, and deranged lunatics.“ Immer wieder dieselbe Formel: Kritik ist nicht legitim – sie ist Ausdruck des Bösen.
Die Technik, politische Gegner nicht nur zu diskreditieren, sondern moralisch zu entmenschlichen, hat eine beunruhigende Geschichte. Im Nationalsozialismus wurden Menschen als „Untermenschen“ gebrandmarkt, in der stalinistischen Sowjetunion als „Volksfeinde“ vernichtet, in Ruanda über Jahre als „Kakerlaken“ bezeichnet – mit mörderischen Folgen. Auch die McCarthy-Ära in den USA kannte keine sachliche Opposition, sondern nur „un-American activities“. Das Muster ist immer ähnlich: Aus Kritik wird Verrat, aus Menschen werden Bedrohungen, aus Worten werden Waffen.
Trumps Rhetorik steht nicht außerhalb dieser Geschichte – sie aktualisiert sie im Modus des Marketings. Denn überhaupt ist das politische Phänomen Trump auch ein Lehrstück in Sachen Markenentwicklung. Er nutzt – gezielt und beabsichtigt – Methoden und Techniken, die aus der Welt der Werbung stammen: Vereinfachung, Wiederholung, Emotionalisierung, Polarisierung. Das erinnert an die begriffsgeschichtlichen Überschneidungen zwischen Propaganda und Werbung. Die beiden entstammen nicht nur derselben Zeit – sie teilen auch zentrale Instrumente. Die politische Propaganda des 20. Jahrhunderts und die ökonomische Marketingtechnik sind enge Verwandte. Trump steht bewusst in dieser Traditionslinie – er ist weniger Politiker als Markenstratege, weniger Argumentierer als Aufmerksamkeitsarchitekt.
Diese moralische Zuspitzung hat eine gefährliche Wirkung. Sie emotionalisiert die Öffentlichkeit, mobilisiert Ressentiments und ersetzt den politischen Diskurs durch Verachtung. Wer als böse gebrandmarkt ist, wird nicht mehr gehört – sondern bekämpft. Nicht mehr widerlegt – sondern entmenschlicht.
Die Sprache, mit der Trump seine Gegner zu Feinden erklärt, ist keine rhetorische Marotte. Sie ist ein Herrschaftsmittel. Sie verschiebt die Grenze des Sagbaren – und damit auch des Denkbaren und letztlich des Machbaren. Wer als „böse“ gilt, verliert den Anspruch auf Schutz. Und genau das ist die Gefahr.