Anmerkungen zum Umgang mit Kunden, mit den Medien und der Öffentlichkeit*

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Wer erfolgreich und kompetent in seinem Beruf arbeitet, sollte auch im Umgang mit Kunden, Öffentlichkeit und Medien da sein, wo man immer sein sollte: nämlich voll und ganz bei der Sache. Die Vielzahl aller Botschaften und Informationen wird heute über die High-Tech-Schienen geleitet. Das darf nicht zu dem Irrtum führen, dass man selbst nicht mehr so wichtig ist.

Die Kommunikation organisiert den monologen, dialogen, multifunktionalen Umgang der Menschen miteinander, ohne einander oder gegeneinander.

Die Kommunikationsmittel sind heute schneller und vielfältiger als je zuvor, ob Laptop, Handy, Faxgerät oder im Internet, und um sie zu bedienen, ist zunehmend weniger schwer. Aber um mit den Kunden Verständnis und Vertrauen aufzubauen, braucht man immer noch etwas ganz Altmodisches: das Gespräch, Auge in Auge und Wort für Wort.

Wir hören immer wieder, dass wir in einer Zeit gewaltigen Umbruchs stehen: communication goes global! Der Erdball wird zunehmend enger vernetzt, eingesponnen in eine Vielzahl elektronischer Medien, die jederzeit jeden überall mit jedem verbindet und an allem und jedem Anteil nehmen lässt.

Nun wissen wir aus der Geschichte, dass nicht das Neue das Bisherige verdrängt, auslöscht, sondern dass es daneben, dazwischen, darüber hinaus seinen Auftrag erfüllt. Der Handsatz hat die Setzmaschine noch ein Dreivierteljahrhundert überlebt, die digitale Fotografie wird die konventionelle nicht ablösen, das Briefeschreiben wird eine zunehmend geachtete Form der Kommunikation bleiben.

Papier wird in diesem Verbund in eine elitäre oder in eine speziellere Rolle hineinwachsen. Das Sprichwort "Papier ist geduldig" hat allenfalls Gültigkeit, solange es nicht bedruckt ist. Von der Bibelübersetzung Martin Luthers über das Kommunistische Manifest bis zur Mao-Bibel und der Veröffentlichung der Relativitätstheorie hat dieses Trägersystem des Geistes der Geduld oft ein Ende gesetzt, das Gewissen wachgerüttelt und das Wissen revolutioniert.

Bei den Abermilliarden Vermögen, die heute als Erbe in den Schoß der zweiten Nachkriegsgeneration fallen, wundert man sich, dass das Wort "Stiften gehen" nur als Rückzug in wärmere Gefilde, an schönere Strände, auf Inseln der Seligen verstanden wird. Warum gehen sie nicht und stiften, was dem Leben mehr Sinn, dem Geld mehr Wert, den Menschen mehr Offenbarung gibt: nicht, was sie brauchen und verbrauchen, sondern wessen sie bedürfen.

In den Unternehmen sitzen die Unternehmensbildhauer und basteln an der Corporate Identity, Corporate Personality, an Corporate Behaviour, an der Corporate Communication, am Corporate Image und Corporate Design. Offenbar haben die Unternehmen Probleme, sich selbst zu erkennen und sich selbst zu benennen. Ihr Selbstverständnis und ihr Erscheinungsbild verschwimmt, doubliert, ist widersprüchlich oder gar nicht vorhanden.

Wer sich mit der Absendung von Botschaften befasst, muss abschätzen können, dass sie nicht in den falschen Hals geraten. Und er braucht Partner, Agenturen, Kommunikationsfachleute, die das so einleiten und durchführen, dass sie nicht die Luftröhre verstopfen. Informationsauswahl und -verarbeitung kann nicht nach dem Prinzip der Bestätigung der eigenen Meinung und Vorurteile getroffen werden.

Der Gebrauch unserer Verstandeskräfte ist eindeutig auf das Materielle ausgerichtet. Visionäre Kräfte bleiben ungenutzt. Das Reich der Phantasie, der Kreativität und des Mutes muss erobert werden. Und es muss nicht das Reich der Erfahrungsgewohnheiten, Selbstgefälligkeiten und der Hackordnungen erhalten bleiben. Aus der Verhaltenspsychologie wissen wir nun mal, dass der Mensch erst unter Leidensdruck imstande ist, Ideen und Kräfte zu entwickeln, die diesen unangenehmen Zustand verändern sollen. Einsichten wachsen aber meist erst, wenn Marktanteile schwinden.

Eine Zeit der Besinnung, des Neubeginns, des Aufbruchs sollten wir nicht nur erwarten, sondern fordernd mitgestalten. Das bringen nicht die Technokraten und Erbsenzähler, die Netzplanstricker und Rationalisierer, das bringen Menschen, nach denen man immer deutlicher ruft: Anpacker des kalkulierten Risikos. Das erfordert, sich herandenken an das Noch-nicht-Gedachte oder das Noch-nicht-so-Gedachte, Anzünder einer frei vagabundierenden und danach zielgerichtet eingesetzten Kreativität. Wir brauchen eine produktive Unruhe, um die Wirklichkeit schöpferisch zu gestalten. Und das sage ich hier nicht im Stil einer Sonntagspredigt, sondern insbesondere denjenigen, die nicht wollen, dass ihre Enkel Chauffeure bei den Chinesen werden.

"Business is no kissing-game". Das muss man den Harmoniebedürftigen gelegentlich mal sagen. Das lässt sich ohne Bangemachen durchaus mit einer entspannten Gelassenheit verbinden. Der Himmel hängt nicht mehr voller Geigen, sondern dröhnt und flimmert von den Bildkonserven, die auf Abruf und Zuruf warten. In diesem Science-Fiction Szenario verheddern sich Adam und Eva – seit der Schöpfungsgeschichte mit eher inzwischen abgenutzten fünf Sinnen ausgestattet – im Netz der Netze oder fliegen aus der Datenautobahn, wenn sie nur ein bisschen Versorgungs- oder Nachschubprobleme mit der Information haben oder glauben, etwas zu verpassen.

Marshall McLuhan, der schon vor einer Generation "Le mort de Gutenberg", den Tod des Johann Gensfleisch zum Gutenberg vorausgesagt hat, kommt mittlerweile zu folgender Erkenntnis: "Der Computer hilft uns, Probleme schneller zu lösen, die wir ohne Computer gar nicht gehabt hätten." Durch Herumfischen im Internet kann man zwar lexikalisches Wissen abrufen; Bildung erwirbt man dabei nicht.

Der Chef und Manager wird heute gelegentlich als Zwangsneurotiker "geoutet", wie man so sagt. Ein stressgeplagter Antreiber, dem die Lust am geduldigen Motivieren vergangen ist. Management ist nicht geradezu eine Lebenskunst, aber doch eine Fähigkeit, Irritationen und Ungewissheiten in Ordnungen und Tätigkeiten umzusetzen, die den Alltag erträglich bis erfüllt machen und den Tageserfolg geduldig zu einem anhaltenden Erfolg ausbauen.

Was man heute so verlangt: aufgeschlossen sein, einfallsreich, offen, innovativ, das genügt noch nicht. Man muss auch die Kraft zum Durchsetzen aufbringen. Man muss wissen wie der Hase läuft, hören wie die Flöhe husten, wann der Kuckuck ruft, wo der Bock springt und wann der Hahn kräht. Das zu wissen, ist mit einer zur Vernunft gebrachten Lebenshaltung durchaus vereinbar.

Auf dem unter Innovationsschüben schwankenden elektronischen Boden sind mehr Ahnungen als Wissen auszumachen. Es kann alles vorkommen und es kommt alles vor in der individuellen chaotischen Kommunikation des Internets. Nach Sinn und Folge daraus wird nicht gefragt, wenn nur die Technik ständig neue, schnellere, komplexere Lösungen gebiert, ohne dabei auch eine kulturelle Dimension zu erkennen oder auch nur zu suchen.

Die in der Erprobung befindlichen Passworte für das Kommende: Virtual Reality, Cyberspace, Datenautobahn, Global Network, Infotainment, lassen nur die fatalen Alternativen des dualen Prinzips zu: yes – no, on – off. Und dies vor einem Menschen, der zwischen: weder – noch und sowohl – als auch in Ratlosigkeit und immer widersprüchlicher werdenden Zukunftsperspektiven verharrt.

Als gelernter Schriftsetzer habe ich mich mit meinem Beruf sehr intensiv befassen müssen, im wirklichen Sinne des Wortes: Ich habe meine Werkstücke, die Bleibuchstaben, noch in die Hand genommen, mehr als eintausendmal in der Stunde. Für heute ist das tiefstes Mittelalter und für mich schon ein Leben lang her. Aber die angelernte Harmonie von Kopf und Hand, die mich auch heute noch zu Bleistift und Papier greifen lässt, weil ich nicht schneller denken als schreiben kann, die ist noch heute in Ordnung.

Der Fortschritt der Technik ist der Fortschritt der Technik. Und sonst nichts. Was der Fortschritt bewirkt, hat immer noch mit einem Menschen zu tun, der zwischen den Steinzeitvölkern und der Cyberspace-Gesellschaft nach wie vor eine Menge des vorerwähnten Adam mit sich herumschleppt, der zwischen menschenleeren Fabriken, papierlosen Büros und sinnleerer Freizeit umherirrt.

Nicht das Sehen ändert sich, sondern das Angebot wird erweitert. Die Neugier sucht mehr Mode als Werte. Stets verspricht man dem Menschen, seine Unabhängigkeit und Individualität zu erhalten. Dabei spinnt man ihn in ein Kokon ein, um später daraus einen nützlichen Faden zu ziehen: Die Kosten/Nutzen-Relation muss stimmen. Wer sich dabei nur um Geld und Geltung kümmert und sich dabei leicht um Wert und Wirkung bringt, verliert seinen Bemerkenswert, trübt sein Bewusstsein, entkernt seine Seele. Verlorene Hoffnung ist verlorenes Leben. Bewusstes Leben setzt gewonnene Einsichten in Erleben um und stellt die Hoffnung über die Erfahrung. Ein Gewissen, das nur deshalb rein ist, weil es nicht benutzt wird, ist wie kein Gewissen. Es hat seine Gewissheit verloren.

Wer erfolgreich kommunizieren will, muss sich an einen Grundsatz halten: "Halte Dein Ego klein!" Wer etwas bewirken will, hat es nicht nur mit sich selbst zu tun, sondern mit Menschen, die diese Wirkung spüren, einsehen, veranlassen etwas zu tun, die ihnen weiterhelfen, die sie vielleicht sogar lebensfroh und lebenstüchtig machen soll. Ich habe etwas gegen Leute, die jeden dritten Satz mit "ich persönlich" anfangen (wer sonst eigentlich soll mit "ich" gemeint sein?). Der Überzeugungskraft ihrer Worte sind sie sich nicht so sicher. Deshalb beginnen sie jeden passenden Satz: "Mit Sicherheit...", "Mit Sicherheit weiß ich ... ", oder hören ihn auf "also mit Sicherheit". Diese Konjunktiv-:Großverbraucher flicken auch ständig in ihren Redefluss "Ich möchte mal sagen", "Ich könnte mir vorstellen", "Ich würde das so sehen",

"Ich würde mal annehmen", "Man sollte doch denken ... " – Gewiss sollte man das.

Das lehrt uns, nicht nach Musterschülern zu suchen, sondern Ahnungsvollen, Phantasiebegabten, Neulandsuchern Sitz und Stimme bei uns zu geben, um ihre Visionen nicht zu verschlafen, um zielstrebig, unruhig, hart und ideenreich zu arbeiten. Ideen, die nicht gelebt werden, verkümmern.

Kreativität gibt es in jedem Beruf. "Schöpferische Naturen", sagte Robert Walser, "sind unspekulativ; das unterscheidet sie von den Nachahmern". Kreativität bedarf der Intuition, der Eingebung, über sie kommen wir zur Einsicht, über die Einsicht zum Wissen und über das Wissen zum Urteil. Und wer Urteilkraft hat, löst seine Aufgaben nicht mehr mit dem scharfen Blick für das Unwesentliche.

Vertrauen zu erwerben ist der härteste und langwierigste Weg in der Kommunikation, aber auch der lohnendste. Der Weg beginnt bei der Qualität. Carl Zeiss hat in seinem Unternehmen die Qualitätskontrolle noch persönlich vorgenommen: mit dem Vorschlaghammer. In den ersten 20 Jahren haben das tausend Mikroskope überstanden. Diese heutigem Denken nicht mehr ganz nachvollziehbare Methode hat immerhin zu einem bis heute anhaltenden Weltruf geführt. Robert Bosch, der Pfennigfuchser, war jederzeit davon überzeugt, dass es besser ist, Geld zu verlieren als Vertrauen. Gottlieb Daimlers Glaubensbekenntnis hieß: "Das Beste. Oder nichts."

Geld und Ideen verhalten sich gelegentlich zueinander wie in kommunizierenden Röhren: Wenn das Geld abnimmt, fangen die grauen Zellen an zu tanzen, man lässt sich was einfallen, um aus der misslichen Lage herauszukommen. Nimmt das Geld zu, vertraut man auf die Wucht der Masse, die wird's schon richten. In der Tat regt aber das Nichthaben das Denken mehr an als das Haben.

Wissen beginnt mit dem Fragestellen oder mit einem genauen, geduldigen Hinsehen. Nur die Geistverlassenen reden und reden und reden sich ins Guinnessbuch der Rekorde oder um Kopf und Kragen. Damit mir sowas nicht passiert, komme ich jetzt nicht zum Schluss, sondern bin am Ende.

* Ein Beitrag aus der Publikation "Schwarzseher". Die Veröffentlichungsrechte sind im Besitz von Prof. em. Olaf Leu.

26. September 2025
Ein Beitrag von:

Kurt Weidemann wurde 1922 in Polen geboren. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft begann er 1950 eine Lehre zum Schriftsetzer in Lübeck. 1964 wurde er als künstlerischer Lehrer an die Stuttgarter Akademie und 1965 zum Professor berufen. Anfang der 1980er Jahre beteiligte er sich an der Gründung der WHU - Otto Beisheim School of Management, wo er ab 1983 unterrichtete. Bereits Anfang der 1960er Jahre baute er zusammen mit Aaron Burns das International Center for the Typographic Arts (ICTA) in NYC auf und war von 1966 bis 1972 dessen Präsident. Neben der WHU lehrte er ab 1991 an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe. 2003 wurde er Ehrenmitglied im Deutschen Designer Club. Kurt Weidemann entwickelte zahlreiche Erscheinungsbilder wie für Deutsche Bahn, Shell, Zeiss, Porsche, Aerospace, Mercedes Benz und andere. Er verstarb am 30. März 2011.

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