Eine benutzerfreund­lichere Regierung? Ein (sehr) schlechter Witz.

A MODEST PROPOSAL
[atlasvoice]

Donald J. Trump hat nie einen Hehl aus seiner Besessenheit für Äußerlichkeiten gemacht. Von den vergoldeten Badezimmern im Trump Tower bis zu seiner Marotte, Hamburger auf Silberplatten servieren zu lassen, hat er stets Glanz mit Größe verwechselt. Am 21. August 2025 hat er diese Oberflächenfixierung nun auf die US-Regierung ausgeweitet. Mit einem Federstrich präsentierte er America by Design, eine nationale Initiative, die verspricht, staatliche Dienstleistungen „benutzbar und schön“ zu machen.

Auf dem Papier klingt das beinahe vernünftig. Wer möchte nicht, dass Regierungswebsites tatsächlich funktionieren? Wer würde nicht lieber Steuerformulare ausfüllen, die nicht wie Relikte aus den 1990ern wirken? Doch bei genauerem Hinsehen entlarvt sich die Initiative als das, was sie ist: eine Fassade des Fortschritts, ein Propaganda-Manöver, das die Sprache des Designs als Tarnung für Dysfunktion, Grausamkeit und autoritäre Kontrolle benutzt.

Der Erlass schafft ein National Design Studio und führt eine neue, glamouröse Position ein: den Chief Design Officer. Und weil bei keiner Trump-Initiative der Show-Effekt fehlen darf, wurde Joe Gebbia, Mitgründer von Airbnb, als erster CDO ernannt. Gebbia ist kein Unbekannter in Trump-Washington: Schon Anfang des Jahres war er in das „Department of Government Efficiency“, kurz DOGE, berufen worden, wo er die Modernisierung des Rentenprozesses übernahm. Er versprach, die Methoden des Silicon Valley – „Customer Journeys“, klare Schnittstellen, nahtlose Erlebnisse – in die föderale Bürokratie zu importieren. Mit anderen Worten: Der Mann, der die Welt davon überzeugte, für 200 Dollar die Nacht auf einer fremden Couch zu schlafen, möchte uns nun glauben machen, dass die Beantragung von Sozialleistungen sich anfühlen kann wie das Buchen eines Lofts in Brooklyn.

Doch hinter der glänzenden Verpackung steckt ein schlechter Witz. Das Versprechen einer „benutzerfreundlichen Regierung“ ist eine grausame Parodie, wenn es von derselben Administration kommt, die systematisch Rechte, Würde und Schutz so vieler Menschen – innerhalb der USA und weit darüber hinaus – zerstört hat. Was nützt eine hübschere Website, solange Migranten weiterhin in Lagern eingesperrt sind? Welchen Trost spendet eine elegante Benutzeroberfläche trans Personen, die aus dem Militär verbannt werden, oder Frauen, denen der Zugang zur Gesundheitsversorgung verwehrt wird? Man kann noch so viele Designer einstellen – „schön“ ist an einer Politik, die Angst, Grausamkeit und Spaltung sät, nichts.

Trump hat schon immer Spektakel der Substanz vorgezogen. Im Januar 2025 verlangte er „schöne Bundesarchitektur“ – als ob das Land am dringendsten monumentale Regierungsgebäude im neoklassizistischen Stil gebraucht hätte. Nun also digitale „Usability“ und „Beauty“. Das Muster ist eindeutig: Obsession mit Oberflächen, Gleichgültigkeit gegenüber Leben. Es ist Regierung als Schaufensterdeko. Die Mauern bröckeln, aber die Tapete muss glänzen.

Es kursieren Zahlen von bis zu zehn Milliarden Dollar für dieses neue Design-Studio, auch wenn niemand sie belegen kann. Zehn Milliarden, um Formulare, Websites und Logos zu überarbeiten – während Amerikaner in medizinischen Schulden versinken, Veteranen jahrelang auf Leistungen warten und Millionen Kinder in Armut leben. Wollte Trump das Leben der Menschen wirklich verbessern, würde er Programme finanzieren, die Leben retten – und nicht PDF-Formulare verschönern.

Doch das Ganze ist nicht bloß Verschwendung. Autoritäre Regime haben stets verstanden, wie mächtig Ästhetik ist. Mussolini hatte Uniformen und Paraden, Stalin prachtvolle Metrostationen, Hitler neoklassizistische Fassaden und Riefenstahls perfekt choreografierte Bilder. Schönheit war nie Zufall – sie war Waffe. Sie verhüllte Brutalität mit Eleganz, Unterdrückung mit Ordnung, Grausamkeit mit Symmetrie. Indem Regierungen stark, geordnet, „schön“ erscheinen, tarnen sie die Fäulnis im Kern. Trumps Initiative reiht sich nahtlos in diese Tradition ein. Das Versprechen eines „freundlicheren Designs“ verdeckt nur eine hässlichere Wahrheit: Grausamkeit als Effizienz getarnt, Autoritarismus verpackt in den beruhigenden, neutralen Tönen modernen Designs.

Und diese Taktik ist keineswegs Geschichte. Putin inszeniert Paraden und nationalistische Shows, Orbán hüllt seine illiberale Demokratie in patriotische Symbolik, Kim Jong Un choreografiert gigantische Massenspektakel, während sein Volk hungert, und Xi Jinping schmückt seine Herrschaft mit „smarten Städten“ und futuristischer Infrastruktur, die Kompetenz simulieren, während Dissens erstickt wird. Autoritäre Herrscher wissen, dass Ästhetik verführt, betäubt und ablenkt. Sie lässt Herrschaft erträglich erscheinen. Trumps Design-Initiative ist nur die amerikanische Variante derselben Strategie: Politik als Markenführung, Grausamkeit im Hochglanzgewand.

Das National Design Studio im Weißen Haus ist kein neutraler Akt. Es bedeutet, dass eine einzige Ästhetik, ein einziger „Look“, allen Behörden aufgezwungen wird. Es erzwingt Gleichförmigkeit. Es brandet den Staat im Bild Trumps. Was könnte besser Dysfunktion und Inhumanität verschleiern, als wenn jede Interaktion mit der Regierung denselben beruhigenden Stempel modernen Designs trägt? Schon die Sprache von America by Design sollte uns frösteln lassen: Sie suggeriert nicht nur Websites, sondern eine Nation, die nach dem Geschmack eines einzigen Mannes geformt, verpackt und verkauft wird.

Und wieder zieht sich Grausamkeit als roter Faden durch. Trump war nie daran interessiert, ob die Regierung „benutzbar“ ist, sondern nur, ob sie ihm nützt. Das Einreiseverbot für Muslime war nicht „user-friendly“. Die Familientrennungen an der Grenze waren nicht „beautiful“. Seine Angriffe auf Wahlrechte, freie Presse und richterliche Unabhängigkeit waren keine Fehler – sie waren gewollte Funktionen seines autoritären Designs. Nun, mit einer glänzenderen Benutzeroberfläche, lädt er die Menschen ein, Schein für Fortschritt zu halten.

Stellen wir uns vor: Eine Bürgerin loggt sich ein, um Medicaid zu beantragen – nur um zu erfahren, dass ihre Ansprüche durch Trumps Politik gestrichen wurden. Doch wenigstens ist der Ablehnungsbescheid elegant formatiert, in moderner Typografie, auf beruhigendem Hintergrund. Das ist America by Design: dieselbe Grausamkeit, besser verpackt. Regierung wie ein Luxus-Immobilienprojekt – innen hohl, aber das Foyer glänzt.

Trump verkündet: „Es ist Zeit, die Designsprache der Regierung so zu erneuern, dass sie sowohl benutzbar als auch schön ist.“ Doch Design kann keine Dysfunktion übertünchen, und Ästhetik macht keine Inhumanität erträglich. Die Regierung braucht keine neue Schriftart – sie braucht einen moralischen Kompass. Ohne Gerechtigkeit, Fairness und Mitgefühl wird kein Usability-Test diese Regierung menschlich machen.

So ist America by Design kein Versprechen besserer Regierungsführung. Es ist das neueste Kapitel in der Ästhetik des Totalitarismus – Herrschaft durch Spektakel, Macht durch Oberfläche, Autoritarismus als „Schönheit“ getarnt. Es wird keine benutzerfreundlichere Regierung hervorbringen. Es wird dieselbe Trump-Regierung liefern: niederträchtig, autoritär, unmenschlich – nur jetzt mit klareren Linien und frischerem Logo. Das ist ein sehr schlechter Witz. Man könnte fast lachen – aber das Lachen bleibt einem im Hals stecken. Und vielleicht ist dies unser modest proposal: Wenn Grausamkeit schon Staatsdoktrin sein muss, dann soll sie wenigstens schön gestaltet sein. Lager in beruhigenden Farbtönen, Abschiebungsbescheide in eleganter Typografie, Leistungskürzungen als minimalistische Infografiken. Und warum nicht auch Todesurteile im Stil moderner App-Designs? Wenn schon keine Gerechtigkeit geliefert wird, dann wenigstens eine Ungerechtigkeit, die sich auf dem Smartphone angenehm scrollen lässt. Das ist der wahre Geist von America by Design.

5. September 2025
Ein Beitrag von:

Prof. Dr. Jürgen Häusler ist Honorarprofessor für strategische Unternehmenskommunikation an der Universität Leipzig. Bis zum Eintritt in den Ruhestand 2015 war er Chairman bei Interbrand Central and Eastern Europe, und hat Unternehmen und Organisationen weltweit bei der Entwicklung von Marken beraten. Als Sozialwissenschaftler hat er u.a. am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln gearbeitet.

Kontakt: juergenghaeusler@gmail.com

 

  1. Erich Albert Joachimsthaler sagt:

    Jetzt warten wir erstmal ab wie das in die Taten umgesetzt wird. So gab es schon immer diese Initiativen in der Regierung, wie zum Beispiel die Vereinfachung von Formularen, aus dieser Initiative wurde dann eine neue Markenberatungsargentur in New York aus dem Boden gestampft, die dann zu gutem Geld an ein Argenturnetzwerk verkauft wurde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

crossarrow-rightarrow-up-circlearrow-left-circlearrow-right-circle