Eine Serie von sechs Beiträgen.
Es dürfte der Traum jeder ambitionierten Markenmacher*in sein: eine Stadt zu einer starken Stadtmarke zu machen. Ganz sicher eine hochgradig faszinierende Aufgabe. Aber ist es realistisch, dass Städte zu Marken gemacht werden können? Noch weitergehender: Ist es wünschenswert, dass Städte zu Marken gemacht werden?
Adressiert werden diese Fragen in sechs Beiträgen, die fortlaufend in the Business of Brand Management erscheinen. Die Beiträge sind jeweils Ausschnitte aus Häusler und Häusler: Wie Städte zu Marken werden, Springer Gabler 2023 https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-41456-6 (englische Fassung 2024 https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-43776-3). Die Beiträge sind jeweils leicht gekürzt und bearbeitet.
Die Quadratur des Kreises?
Beitrag 1 von 6.
Das Ansinnen, eine Stadt zur Marke zu machen, gleicht – auf den ersten Blick – dem Versuch der Quadratur des Kreises. Grundsätzlich unmöglich. Zum Scheitern verurteilt.
Stadt und Marke gehören zu jenen Dingen, für die allgemeingültige Definitionen nicht existieren können. Unterschiedliche Perspektiven und Herangehensweisen führen notwendigerweise zu sehr unterschiedlichen Vorstellungen, was unter den beiden Phänomenen jeweils zu verstehen ist. Zudem sind beide immer auch umstrittene und umkämpfte Begriffe mit unmittelbar normativen und konfliktträchtigen Konnotationen. Die Schwierigkeiten werden offensichtlich nicht dadurch beseitigt, dass man beide Konzepte miteinander verbindet und über die Entwicklung von Stadtmarken nachdenkt.
Gleichwohl ist es unbestreitbar so, dass (zahlreiche) Städte Marken sind. Und noch bedeutender: Städte wurden zu Marken, lange bevor der Begriff Marke breit genutzt wurde. Städte – analog etwa zu Künstler*innen, Religionen oder politischen Strömungen – müssen als Vorläufer*innen dessen gedeutet werden, was später mit dem Begriff Marke belegt wurde. Städte sind archetypische Marken. Schon seit Jahrtausenden wetteifern Städte miteinander, genießen bekannte Städte einen überregionalen ‚Ruf‘, sind räumlich übergreifend mit sehr spezifischen Vorstellungen verknüpft. Viele Menschen quer durch die Welt teilen diese Bilder – und zwar selbst dann, wenn sie persönlich diese Städte nie gesehen und erlebt haben. Im Ergebnis wirken bestimmte Städte attraktiv für unterschiedliche Zielgruppen: sie sind etwa unterhaltsam für junge Tourist*innen oder entspannend für ruhebedürftige Rentner*innen, vielleicht anregend für hoffnungsvolle Nachwuchswissenschaftler*innen, verheißungsvoll für profitgierige Investor*innen oder befreiend für Exilsuchende.
Foto: Wolfgang Fach
Erfolgreiche Stadtmarken versprechen so jenen Nutzen, der starke Marken wertvoll macht. Wahrgenommene Unterschiede schaffen Aufmerksamkeit. Spannend erscheinende Angebote versprechen Bedürfnisbefriedigung und schaffen damit Nachfrage. Und einmal etablierte positive Vorstellungen sorgen dafür, dass stabile Loyalitätsbeziehungen entstehen. Eine starke Marke zu sein, zahlt sich daher für Städte aus – und dieses Versprechen macht es verständlich, dass Städte Marken werden wollen
Wird dieser Wunsch auch aktiv verfolgt, dann entstehen neue Denk- und Verhaltensmuster in den entsprechenden Städten. Dann genügt es nicht mehr, dass die Bewohner*innen das wohltuende Stadtleben in seiner gewachsenen Form genießen. Dann darf es für die verantwortlichen Stadtväter und Stadtmütter nicht dabeibleiben, die existierenden Vorzüge einer Stadt zu erhalten (zu verwalten). Verlassen dürfen sie sich dann nicht mehr darauf, dass sich der richtige (gewünschte und erfolgreiche) Ruf schon irgendwie verbreiten wird. Um die Potentiale starker Marken auch ausschöpfen zu können, muss mehr unternommen werden: die erfolgversprechenden Stadtmarken müssen entwickelt und gepflegt werden. In der Folge (oder als Voraussetzung) entsteht nachgerade ein wahrgenommener Zwang, dass Städte unternehmerischer denken und handeln und zu Marken werden müssen – spätestens dann, wenn andere vorpreschen und im Wettbewerb zwischen Städten einen wesentlichen Vorteil zu erringen drohen.