Die Stadt als Marke. (3/6)

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Eine Serie von sechs Beiträgen.

Es dürfte der Traum jeder ambitionierten Markenmacher*in sein: eine Stadt zu einer starken Stadtmarke zu machen. Ganz sicher eine hochgradig faszinierende Aufgabe. Aber ist es realistisch, dass Städte zu Marken gemacht werden können? Noch weitergehender: Ist es wünschenswert, dass Städte zu Marken gemacht werden?

Adressiert werden diese Fragen in sechs Beiträgen, die fortlaufend in the business of brand management erscheinen. Die Beiträge sind jeweils Ausschnitte aus Häusler und Häusler: Wie Städte zu Marken werden, Springer Gabler 2023 https://link.sprin­ger.com/book/­10.1007/978-3-658-41456-6 (englische Fassung 2024 https://link.sprin­ger.com/book/­10.1007/978-3-658-43776-3). Die Beiträge sind jeweils leicht gekürzt und bearbeitet.

Die Stadtmarke als Imperativ.

Es wird kaum in Frage gestellt, dass sich Städte ‚vermarkten‘ müssen, um im (regionalen, nationalen und internationalen) Wettbewerb (erfolgreicher) bestehen zu können: “the place promotion has become integral to the process of urbanisation in the late twentieth century“ (Hall, T.: Introduction, S. 28 in: T. Hall und P. Hubbard (Hrsg.): The entrepreneurial city. Geographies of politics, regime and representation, Wiley 1998). Aus Markensicht heißt dies: Erfolgreiche Städte müss(t)en sich zur Stadtmarke entwickeln. Offensichtlich ist, dass sich (einzelne) Städte in der Geschichte tatsächlich immer wieder zu erfolgreichen Stadtmarken entwickelt haben – historisch auch im Sinne des avant la lettre. Aktuell kann festgehalten werden, dass von städtischen Eliten und verantwortlichen Stadtpolitiker*innen der Vermarktungszwang für Städte (zunehmend) zur Kenntnis genommen wird. Als Teil einer zeitgemäßen Stadtpolitik wird ebenso oft der Wunsch geäußert, die jeweilige Stadt als Marke wirksam(er) zu vermarkten.

Foto: Wolfgang Fach

Aus diesen Absichtserklärungen kann nun keineswegs umstandslos daauf geschlossen werden, dass landauf, landab und quer über den Globus von Städten tatsächlich die notwendigen und zielstrebigen Anstrengungen unternommen werden, um die jeweilige Stadt zur Marke zu entwickeln. Zahlreiche Absichtserklärungen verharren auf dem Niveau des rein rhetorischen Marketings. Und ebenso oft sind die unternommenen Umsetzungsschritte eher einer offensichtlichen Symbolpolitik zuzuordnen. Erfolgreiche Versuche der gezielten Entwicklung einer Stadtmarke sind bei kritischer Analyse wohl selten. Unterlassene Anläufe und gescheiterte Versuche sind sicher zahlreicher

Diese nüchterne Einschätzung der Erfolgsaussichten von Markenentwicklungen ist nicht auf den Anwendungsfall ‚Stadtmarke‘ beschränkt. Aber, so zumindest der Augenschein, die Diskrepanz zwischen ‚Wollen‘ (eine Marke zu werden) und ‚Können‘ (tatsächlich eine Marke zu entwickeln) ist bei Städten besonders ausgeprägt. Dies hängt nicht zuletzt mit zahlreichen Widrigkeiten der Markenentwicklung im Umfeld von Städten zusammen:

  • Städte erweisen sich als besonders sperrige Gegenstände, wenn es darum geht, sie zu Marken zu entwickeln. Dies hängt mit ihren vielfältigen und variablen internen Strukturen und Beziehungsmustern ebenso zusammen wie mit ihren komplexen historischen Entwicklungsverläufen (die geprägt sein können von rigiden Pfadabhängigkeiten ebenso wie von unvorhersehbaren externen Schocks).
  • Selbst im Erfolgsfall – wenn eine Stadt zur Marke geworden ist – bleibt die Entstehungsgeschichte meist im Ungewissen und überzeugende Erklärungen fehlen. In jedem Fall ist immer eine große Zahl an Markenmacher*innen beteiligt – nicht zuletzt von außerhalb der Stadtgemeinschaft. Und nicht immer verfolgten die Akteur*innen tatsächlich das Ziel, eine Stadt zur Marke zu machen. Diese klare Absicht ist sogar eher selten anzutreffen.
  • Dies wirft eine grundlegende Frage auf: Inwiefern gibt es identifizierbare, für das markenbildende Geschehen kausal verantwortliche, Akteur*innen, wenn es um das Stadtmarkenmachen geht?

Mit der in der Regel anzutreffenden Formulierung, nach der ‚die Stadt‘ als Markenmacher*in zu gelten hat, ist die Frage nicht hinreichend beantwortet. Dazu weckt diese Vorstellung zu schwerwiegende Folgefragen, die sich um zwei interdependente Problemkomplexe herum bilden. In der Außenperspektive ist nach der Macht von Städten im Hinblick auf die Auswirkungen der Globalisierung zu fragen. Und in der Binnenperspektive steht die kollektive Handlungsfähigkeit von Städten im Rahmen der politischen Konstellationen in Städten zur Diskussion. Drei Problemfelder tun sich auf:

Wer wäre, erstens, die Markenmacher*in: ‚die Stadt‘? Die Stadtregierung? So die (meist implizite und unreflektierte) weitverbreitete Annahme. Es existieren aber sicher sehr unterschiedliche Konstellationen, in der das Regieren im städtischen Zusammenhang stattfindet. Die jeweils anzutreffenden politischen Verhältnisse, in denen der Versuch unternommen wird, eine Stadtmarke zu entwickeln, können nicht allgemeingültig (modellhaft) angenommen werden. Sie sind jeweils erst (im politischen Alltag vor Ort) empirisch zu erfassen.

Selbst unter der Annahme, dass sich eine zentrale (Regierungs-)Stelle identifizieren ließe, die an der Stadtmarke arbeitet – und nominell als Markenbesitzer*in und Markenmacher*in auftreten könnte: Wie könnte es, zweitens, ihr in der stets diversen und konflikthaften Stadtgesellschaft gelingen, die unterschiedlichen Interessen und widerstrebenden Gegenkräfte hinter einer Markenvorstellung zu vereinen?

Und wenn schließlich auch noch erhofft wird, dass idealtypisch die interne Abstimmung hinreichend gelingen und ‚die Stadt‘ im Sinne der „collective action“ agieren könnte: wie stark ist, drittens, der Einfluss dieser Akteur*in auf die externe Wahrnehmung, wie bedeutend sind ihre Anstrengungen zur Repräsentation der Stadt als Marke nach außen?

31. März 2025

Dr. Eric Häusler ist Historiker und Urbanist. Sein aktuelles Forschungsprojekt am Insitut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) an der ETH Zürich ist einem Vergleich vergangener urbaner Zukunftsvorstellungen in Tokyo und New York in den 1960er-Jahren gewidmet. Als Gastwissenschaftler war er unter anderem an der Sophia University in Tokyo, an der New School for Social Research und der New York University. Zu seinen weiteren Forschungsschwerpunkten gehören die kritische Auseinandersetzung mit Fragen des Stadtmarketings und das wachsende Feld der Global Urban History.

 

Prof. Dr. Jürgen Häusler ist Honorarprofessor für strategische Unternehmenskommunikation an der Universität Leipzig. Bis zum Eintritt in den Ruhestand 2015 war er Chairman bei Interbrand Central and Eastern Europe, und hat Unternehmen und Organisationen weltweit bei der Entwicklung von Marken beraten. Als Sozialwissenschaftler hat er u.a. am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln gearbeitet.

Kontakt: juergenghaeusler@gmail.com

 

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