Die Stadt als Marke. (4/6)
Eine Serie von sechs Beiträgen.
Es dürfte der Traum jeder ambitionierten Markenmacher*in sein: eine Stadt zu einer starken Stadtmarke zu machen. Ganz sicher eine hochgradig faszinierende Aufgabe. Aber ist es realistisch, dass Städte zu Marken gemacht werden können? Noch weitergehender: Ist es wünschenswert, dass Städte zu Marken gemacht werden?
Adressiert werden diese Fragen in sechs Beiträgen, die fortlaufend in the business of brand management erscheinen. Die Beiträge sind jeweils Ausschnitte aus Häusler und Häusler: Wie Städte zu Marken werden, Springer Gabler 2023 https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-41456-6 (englische Fassung 2024 https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-43776-3). Die Beiträge sind jeweils leicht gekürzt und bearbeitet.
Die Stadtmarke als Projekt.

Foto: Wolfgang Fach
Notwendig ist es, die einschlägigen (generellen) Elemente erfolgreichen Markenmachens für den (spezifischen) Fall der Stadtmarken zu untersuchen. Wir folgen dabei den einzelnen Prozess- und Arbeitsschritten, wie sie sich idealtypisch für das Markenmachen generell darstellen. Die Entwicklung von Marken erfordert handwerkliches Können. Die grundlegenden Bestandteile des Handwerks sind: die Konstruktion einer Position, einer Struktur, einer Gestalt und der entsprechenden Erlebnisse. Jenseits sachlicher Fähigkeiten wird der erfolgreiche Ausgang des Entwicklungsprozesses von Marken ganz wesentlich von dessen spezifischen Merkmalen bestimmt.
Detaillierter sind die tragenden Grundpfeiler einer wirkungsvollen Praxis des Markenmachens:
- Zu Beginn der Arbeit stehen (vermeintlich) einfache Fragen zur Vorgehensweise auf der Tagesordnung: Welches Problem gilt es zu lösen? Wie soll die Problemlösung angegangen werden, in welchen Schritten, in welchem Zeitraum, mit welchen methodischen Ansätzen, mit welcher personellen Ausstattung, in welchen institutionellen Arrangements usw. usf.? Marken(weiter)entwicklung ist (generell) am ehesten als mehr oder weniger integrierte und abgestimmte Aneinanderreihung von Projekt(en) zu verstehen. Konkret stößt der Versuch der Entwicklung einer Stadtmarke dabei auf die Widrigkeiten des politischen Prozesses in Städten (der Prozess: Die Stadtpolitik).
- Als substanzieller Kern von Marken und als Grundlage jeglicher Markenarbeit ist die Existenz einer (meist explizit formulierten) Idee (einer Geschichte, eines Bildes) vorauszusetzen. Wie kommt man handwerklich zu einer solchen Idee? Wie erhöht man zumindest die Chancen, der Markenentwicklung in allen Umsetzungsschritten ein inhaltlich robustes Fundament zugrunde legen zu können, das handlungsleitend wirkt, intern steuernd funktioniert und extern für Attraktivität sorgt. Die besondere Herausforderung bei der Entwicklung einer Stadtmarke besteht dann darin, die große und unaufhebbare Komplexität städtischer Realität sinnstiftend und transparent einzufangen (die Idee: Die eigensinnige Stadt)?
- Marken können – natürlich – nicht als rein gedankliche Konstrukte bestehen. Ihre Attraktivität basiert auf den (wahrgenommenen) Leistungen, die sie markieren. Das jeweilige Angebot den Nachfrager*innen gegenüber überzeugend zu vermitteln, ist insbesondere bei komplexeren Sortimenten eine anspruchsvolle Aufgabe. Wird sie gut erfüllt, entsteht eine verständliche und attraktive Angebotsstruktur. Eine solche stellt der entsprechenden Marke wiederum einen bedeutenden Leistungsausweis aus: Sie trägt dann dazu bei, dass Nachfrager*innen verstehen, was die Marke anbietet und inwiefern das Angebot sich von den Angeboten von Wettbewerber*innen unterscheidet. Auch hier erweisen sich die Voraussetzungen bei Städten als besonders schwierig: (zu) viele Anbieter*innen sowie ein unübersichtliches und nicht abgestimmtes Angebot erschweren alle Versuche der leicht nachvollziehbaren Strukturierung der städtischen Leistungen (die Struktur: Das städtische Angebot).
- Marken nutzen die verschiedensten (Gestaltungs-)Mittel, um ihre gewinnende Gestalt in der Wahrnehmung der Nachfrager*innen zu erzeugen. Das Repertoire an solchen Mitteln ist schier unerschöpflich. Alle Sinne können angesprochen werden. Strategische und kreative Exzellenz müssen integriert werden, um Markenidee und -struktur in ein Gestaltungskonzept und entsprechende Gestaltungsmittel zu transformieren. Auch dieser Vorgang ist anspruchsvoll und darf keineswegs als mechanische Übersetzungs- oder gar Ableitungsübung missverstanden werden. Es treffen die begrenzten Möglichkeiten der zielgerichteten, markenadäquaten Gestaltung einer Stadt auf die immense Bandbreite historisch gewachsener, natürlich gegebener und zum Teil (im wahrsten Sinne des Wortes) ‚in Stein gemeißelter‘ Dinge, die das Bild der jeweiligen Stadt ohnehin prägen (die Gestalt: Das Stadtbild).
- Bis zu diesem Punkt wurden, zugespitzt formuliert, notwendige Vorarbeiten geschildert. Hinreichende Arbeit leistet das Markenhandwerk, wenn es jene Situationen markenadäquat gestalten kann, in denen Marken den Nachfrager*innen tatsächlich begegnen. Oder aus deren Sicht: Kritisch wird es immer dann und insbesondere dann, when (where) the rubber hits the road, wenn Nachfrager*innen Erlebnisse mit Marken haben – und diese können von der (oberflächlichen) Lektüre einer Anzeige bis zur (emotionsgeladenen) Beschwerde über mangelhafte Leistungserbringung reichen. Neben der erwähnten strategischen und kreativen Exzellenz wird insbesondere in der Umsetzungsphase schließlich auch noch operative Exzellenz erforderlich. Erlebnisse in der Stadt zu schaffen, die wie gewünscht wirken, ist dann ebenso herausfordernd, wie ungewünschte Erlebnisse zu verhindern (das Erlebnis: Das städtische Leben).