In seinem Beitrag zu „Fogo Island“ spannt Markus Weisbeck einen weiten Bogen, der aufzeigt, wie vielschichtig und differenziert Marken heute konzipiert und aufgestellt sein können.
Die Marke hat ihren Ursprung in den handwerklichen Zeichen, die man aus der Porzellan-Geschichte her kennt. Auf der Unterseite von Tellern, Tassen, Platten und weiteren Objekten wurde die „Marke“ der ausführenden Werkstätte abgebildet. Eine sehr alte Tradition, deren abstrakte Zeichenwelt von chinesischen, asiatischen und japanischen Marken stammt und später auch von europäischen Porzellan-Manufakturen übernommen wurde. Ein abstraktes Rad wird beispielsweise von der berühmten Höchster Porzellanmanufaktur aus Frankfurt als Zeichen verwendet. Noch bekannter sind die gekreuzten Schwerter der Manufaktur in Meißen.
Andererseits geht die Marke auf die Kennzeichnung von Eigentum zurück: Dieses Tier, dieses Produkt, dieser Gegenstand gehört mir, denn es zeigt mein Brandzeichen. Mit dem „Branding“ an Viehherden im amerikanischen Westen nahm die moderne Markengeschichte ihren Lauf. Im Rahmen der modernen Waren- und Konsumwelt entwickelte sich hieraus die heutige Bedeutung der Marke.
Bei der Entwicklung von Marken setzt man heute auf zwei Möglichkeiten. Entweder analysiert man das Unternehmen, das Produkt, die Dienstleistung und versucht aus ihrem „Kern“ heraus eine Identität zu entwickeln. Oder man baut ein abstraktes Bild auf, das mit einem passenden Image aufgeladen wird. Beide Wege haben Vor- und Nachteile, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Welche Rolle spielt dabei das Design? In beiden Fällen ist es nur ein Erfolgsfaktor unter vielen, was auch am Beispiel von Fogo Island deutlich wird.
Eine ganz besondere Herausforderung stellen die sogenannten Kulturmarken dar. Was genau ist hier eigentlich die Marke? Wer ist der Star? Die Kunst, der Künstler, die Präsentation oder der Absender, die Institution, das Museum, die Oper, der Veranstaltungsort? In den letzten 20, 30 Jahren hat sich das Bild komplett gewandelt. Waren lange Zeit die Künstler und ihre Werke die Stars, heißen sie heute MOMA, TATE MODERN, SCHIRN, MMK etc. Eine Anmerkung hierzu, auch wenn sie vielleicht etwas profan erscheinen mag: Das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt, das aufgrund seiner architektonischen Form von Hans Hollein im Volksmund den Spitznamen „Tortenstück“ erhalten hatte, kannte kein Taxifahrer, da die Marke MMK lange Zeit nicht präsent war. Mit etwas Glück kannte der Taxifahrer vielleicht den Spitznamen und brachte so seinen Gast ans Ziel. Doch das änderte nichts am eigentlichen Problem dieser Marke: Die Existenz eines der bedeutendsten Gebäude der postmodernen Welt wurde zu Gunsten der Ausstellungsinhalte unterschlagen. Die kleinen Logos als Absender auf den Kommunikationsmaterialien waren zudem derart dezent platziert, dass sie niemand wahrnahm. Eine eigenständige Identität war nicht existent, jedes Modeposter genoss mehr Aufmerksamkeit. Erst nachdem die Prioritäten des MMK-Auftritts verändert wurden, funktionierte auch das Branding.
Wenn ein renommiertes Museum im Herzen einer westeuropäischen Großstadt schon solche Probleme hat, kann man sich vorstellen, dass das Branding für eine Insel wie Fogo Island vor Neufundland nicht unbedingt eine einfache Aufgabe ist. Zum Hintergrund: Um nach Fogo Island zu kommen, muss man von Neufundlands Hauptstadt, St. Johns, 400 km nördlich nach Gander fahren und von dort aus eineinhalb Stunden – vorausgesetzt, das Meer ist nicht zugefroren – mit der Fähre übersetzen. Oder ein Lufttaxi für 200 Dollar mieten.
Auf der Insel selbst gibt es Handwerksbetriebe, die hauptsächlich vom Bootsbau leben. Zudem leben hier die Nachfahren von irischen und englischen Fischern, die bis heute Fischfang betreiben, der allerdings stark reglementiert ist. Und es gibt Bodenschätze (Offshore-Öl), weshalb die kanadische Regierung versuchte, die Küstenlinie zu entvölkern, um die Ölförderung zu erleichtern. Montreal wollte jeden der 2.500 Einwohner mit 5.000 kanadischen Dollar für den Umzug abfinden, doch niemand hat dieses Angebot jemals angenommen.
Eine der Familien, die auf der Insel seit Generationen leben, sind die Cobbs. Zita Cobb und ihre Brüder, die auf Fogo Island geboren sind, hatten ihr Geld auf dem Festland verdient und fassten eines Tages den Entschluss, der Insel als Investoren etwas zurückgeben. Die Idee war, aus der fantastischen, fast magischen Insel mit ihrer besonderen Ausstrahlung, die schon von ihren Ureinwohnern, den „Redskins“ überliefert ist, ein Resort zu machen. Ein Resort mit einer neuen Form der Gastlichkeit, dem wahren Kapital der Insulaner, ein „Kunstraum“ Fogo Island, das unter anderem auch dazu dienen sollte, der durch die langen Winter bedingten Beschäftigungslosigkeit vieler Inselbewohner entgegenzuwirken. Das Hotel „Fogo Island Inn“, von Todd Saunders entworfen, wurde gebaut, ein Künstlerstipendiat ins Leben gerufen, in Workshops mit internationalen Designern und den einheimischen Bootsbauern und Schreinern neue Möbelkollektionen entworfen und eine Vielzahl weiterer Maßnahmen eingeleitet. Die handwerkliche Tradition der Insel konnte in diesem Rahmen für die Schaffung neuer und nachhaltiger Arbeitsplätze genutzt werden.
Dank umfassender Kommunikation der diversen Aktivitäten, gezielter PR-Arbeit, ansprechender Werbekampagnen, Ausstellungen, unzähliger Publikationen und Bücher und einer attraktiven Website – die alle in die Marke Fogo Island einzahlen – hat es das Hotel und mit ihm die Insel in den letzten Jahren zu einer unglaublich hohen Bekanntheit gebracht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich mit der Vision, dem Mut, der Verantwortungsbereitschaft und der Durchsetzungskraft der Cobbs eine kleine, abgelegene Insel via Branding zu einem Gesamtkunstwerk, zu einem neuartigen Typus von Marke im 21. Jahrhundert entwickelt hat.