Betrachtet man die Entwicklung von Marken aus historischer Perspektive, ist offensichtlich: Brands waren lange Zeit eine Domäne von Konsumgüterunternehmen und folgten der Marketingformel B-to-C – also Business to Consumer. Maßgeblich in dieser Konstellation sind große Unternehmen bzw. internationale Konzerne, die Produkte für Verbraucher produzieren und vermarkten: Von der Tütensuppe über Waschmittel bis hin zu Fernsehgeräten oder Automobilen.
Die Beziehung zwischen Anbieter und Kunde wurde durch eine autoritativ auftretende und in eine Richtung kommunizierende Marke (Unternehmen > Endkunde) gesteuert, die dazu auf Werbung oder Salespromotions zurückgriff, Anzeigen schaltete, Prospekte drucken ließ und, wenn das Budget dazu reichte, die Vorzüge ihrer Produkte in Funk, Film und Fernsehen propagierte. „Marke“ bedeutete zu dieser Zeit – sie ist inzwischen längst vorbei – vor allem ein markantes Logo, ein konsistentes Corporate Design, ein wie auch immer formuliertes Qualitätsversprechen, trendige Werbung und aggressives Marketing, dessen Höhepunkte Sonderaktionen und Schlussverkäufe waren.
Ein weiteres Charakteristikum dieser alten (und deshalb noch lange nicht: guten) Zeiten war die Marken-Abstinenz vieler Unternehmen, die nicht direkt für die Verbraucher, sondern für andere Unternehmen produzierten – also im Bereich B-to-B tätig waren. Auch diese Unternehmen verfügten zwar zumeist über ein eigenes Logo sowie ein rudimentäres Corporate Design und gaben jedes Jahr neue Produktbroschüren und Kataloge in Auftrag. Doch Markenkommunikation nach Vorbild der großen Consumer Brands lehnten sie ab: Zu aufwändig, zu teuer – und im Grunde überflüssig. Denn schließlich produzierte man als Profi für Profis, jeder kannte jeden, und da spielten die Produktqualität und eine adäquate Preisgestaltung die alles entscheidende Rolle. Die Qualität „unserer Produkte“ – man war ja von Profi zu Profi unter sich – war für jeden in der Branche eine klare und selbstverständliche Sache: „Unsere Produkte sprechen für sich!“ Warum also Geld für eine Marke herauswerfen?
Doch wie gesagt: Die Zeiten haben sich geändert, und gerade die erfolgreichen mittelständischen Unternehmen aus Deutschland – Hidden Champions, die sich auf bestimmte technologische Nischen spezialisiert haben und Industriekunden in aller Welt beliefern – sehen sich gezwungen, sich neu zu positionieren, ihre Kommunikation mit den Kunden zu überdenken und sich im Endeffekt als Unternehmen (inklusive der Kernkompetenzen Produktentwicklung und Fertigung) neu aufzustellen. Drei Faktoren fallen dabei besonders ins Gewicht: 1. Die Globalisierung, die nicht nur neue Märkte öffnet, sondern auch den internationalen Wettbewerb verschärft. 2. Die technologischen Innovationen – allen voran Digitalisierung und Internet – die Wissensaustausch, Einkaufsmöglichkeiten, Produktionsverfahren, Logistik, Marktstrukturen und last but not least die Kommunikation von Menschen und Marken von Grund auf verändert, ja revolutioniert haben. 3. Der „War of Talents“, der mittelständische Unternehmen dazu zwingt, bei der Neueinstellung von Mitarbeitenden mit internationalen Großunternehmen oder auch Start-ups aus praktisch allen Branchen zu konkurrieren und im Zuge dessen High Potentials davon zu überzeugen, dass sie auf der Schwäbischen Alb besser aufgehoben sind als in San Fransisco oder Berlin. Kurz gesagt: Die Marke und ihre Strategie sind zu einem zentralen Bestandteil der Unternehmensstrategie erfolgreicher Mittelständler geworden.
Die neue Relevanz der Marke für die mittelständischen Industriegüterunternehmen hat selbstredend auch gravierende Folgen für die Anbieter, die diese Firmen bei ihrer Markenentwicklung beraten und betreuen. Das können beispielsweise Unternehmensberatungen mit dem Schwerpunkt Brand Consulting und auf digitale Medien spezialisierte Dienstleister, aber auch klassische Corporate Design Agenturen sein. Letztere sind durch diese Entwicklung besonders stark gefordert: Ein visuell hochwertiger Markenauftritt und ein konsistentes CD sind nach wie vor von hoher Bedeutung, doch sie reichen im aktuellen Kontext nicht mehr aus. Ähnlich wie ihre mittelständischen Unternehmenskunden müssen auch sie von Grund auf umdenken. Bevor sie, wie gelernt, an die Gestaltung eines neuen Markenauftritts gehen, müssen sie sich mit dem Kunden zusammensetzen und herausfinden, was er tatsächlich will und wo er seine strategischen Prioritäten setzt. Das können etwa Themen wie ein wirkungsvoller Sales Support, die Möglichkeit von Kosteneinsparungen in der Markenkommunikation oder eine Priorisierung der Touchpoints der Marke sein. Was braucht der Kunde? Was genau will er? Was hilft ihm tatsächlich weiter? Ein weiterer wichtiger Punkt: Designagenturen müssen sich neu organisieren, strategische wie operative Markenkompetenz (Beratung und Betreuung) ins Haus holen und ihre Expertise im Bereich interaktive Medien ausbauen.
Praktisch geht es also darum, dem Kunden „mittelständisches Industrieunternehmen“ nicht nur einen schönen neuen Markenauftritt zu verkaufen – was zugegeben schon schwer genug sein kann –, sondern ihn bei der Entwicklung einer zeitgemäßen Markenstrategie zu beraten und effektiv zu unterstützen. Die Grundidee einer solchen neuen Markenstrategie ist kein aufgesetztes, gerade mal wieder im Trend liegendes Schema, sondern ein Anspruch, der gewissermaßen aus dem mittelständischen Unternehmen, seiner Produktphilosophie und seinen aktuellen Kundenbeziehungen selbst erwächst: „Customized Solutions“. Auftritt und Kommunikationslösungen der Marke sollten also die Wünsche und Bedürfnisse der industriellen Endkunden kennen und so individuell wie möglich auf sie eingehen. Klar: Eine solche Individualisierung der Markenkommunikation war im prä-digitalen Zeitalter kaum zu bewerkstelligen – es sei denn, es handelte sich um einen Key-Account, den man individuell betreute und deshalb jeden Tag persönlich am Telefon hatte. Durch die Digitalisierung mit ihren Automatisierungsmöglichkeiten und die neuen interaktiven Medien – Websites, Branchenportale, Einkaufsplattformen, Social Media – lässt sich mittlerweile jedoch die gesamte Markenkommunikation eines Unternehmens auf Customized Solutions ausrichten. In der Konsequenz heißt das: Der Kunde kann gezielt und individuell an den für ihn relevanten Touchpoints angesprochen werden. Dabei muss er so schnell wie möglich die von ihm gesuchten Informationen und Angebote erhalten. Das damit verbundene emotionale Erlebnis – die berühmte User Experience – sollte so spektakulär und einprägsam wie möglich sein: eine Forderung übrigens, die wiederum direkte Konsequenzen für das Brand Design nach sich zieht. Und noch ein wichtiger Aspekt: Im Gegensatz zu früher bedeutet kommunikative Individualisierung heute nicht mehr kostenaufwändigen Mehraufwand, sondern bietet im Gegenteil konkrete Einsparpotenziale. Der Kunde wird nicht mehr mit kostspieligen Druckwerken überschwemmt, sondern findet beispielsweise auf der Website des Unternehmens schnell und optisch attraktiv genau das, was er braucht – inklusive einem kompetenten Ansprechpartner, der seiner Sprache mächtig ist. Und wenn er das alles gefunden hat, kann er es auch problemlos dokumentieren – ausdrucken, abspeichern, mit Kollegen teilen.
Der Designagentur hauser lacour ist die bemerkenswerte Umsetzung einer zeitgemäßen Markenstrategie für das mittelständische Industrieunternehmen SEEPEX gelungen. Die Firma ist seit Jahrzehnten Spezialist für Exzenterschneckenpumpen und ein typischer Hidden Champion: Das Unternehmen bietet Industriekunden in aller Welt Customized Solutions an, die sich durch ihre Produktqualität sowie einen nachhaltigen Service und Support auszeichnen. Die neue Website seepex.com ist in jeder Hinsicht beeindruckend: Hohe Funktionalität durch individualisierte Suchangebote und Tools zur Dokumentation. Attraktive Visualität durch ein markenadäquates Corporate Design und ein hochwertiges Bildkonzept. Eingängige Präsentation der Leistungen über ein Storytelling, in dem sich die Kunden wiederfinden.