Trump™

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Willkommen im Zeitalter des politischen Brandings. Parteien werden zu Plattformen, Kandidat*innen zu Marken, Wahlkämpfe zu Werbekampagnen: emotionalisiert, durchdesignt, formatgerecht. Wer erfolgreich sein will, braucht kein Programm – sondern eine Geschichte. Keine Argumente, sondern ein Image. Keine Wahrheit, sondern Wiedererkennbarkeit. In dieser Logik ist Trump™ kein Ausrutscher, sondern ein Extremfall. Eine politische Marke, die sich jeder Korrektur widersetzt und jeden Skandal in Kapital verwandelt. Was als Reality-TV begann, wurde zur Realität einer Nation. Und der Welt. Trump war nie Politiker. Trump ist immer Produkt. Trump™.

Schon früh zeichnete sich die strategische Ausrichtung ab: ikonografisch unverwechselbar (orangefarbener Hautton, rote Kappe, goldene Lettern), inhaltlich maximal simpel („Great deals“, „America First“, „Fake News“). Die Marke Trump™ hat es verstanden, einen Markenkern zu kultivieren, der trotz – oder gerade wegen – zahlreicher Brüche stabil bleibt: ein Selfmade-Milliardär mit Pleitevergangenheit. Ein Anti-Establishment-Kandidat mit besten Verbindungen. Ein unbarmherziger Christ, der dann in der Kirche auftaucht, wenn Kameras anwesend sind – und sich selbst nicht nur als Gottes Liebling, sondern als verpasste Chance fürs Papstamt betrachtet.

Die Kommunikationsstrategie ist ebenso effektiv wie skrupellos: Reduktion, Repetition, Provokation. Die Wahrheit wird fragmentiert, zurechtgebogen oder ersetzt. Wichtig ist allein die Wiedererkennbarkeit. Trump™ reizt dabei das eherne Gesetz guter Kommunikation bis an die Grenze aus: Du sollst nicht lügen. Aber du musst auch nicht immer die Wahrheit sagen. Trump verkauft keine Politik, sondern sich selbst. Keine Kandidatur, sondern Kampagne. Verpackung vor Inhalt, Marke vor Mensch. Moral? Wird nicht einmal ignoriert – sie stört nur das Narrativ. Trump agiert nicht wie ein klassischer Politiker, sondern wie ein durchdesigntes Markenprojekt mit Sendebewusstsein. Positionen? Werden laufend durch besser verkäufliche Geschichten ersetzt. Markenpurpose: maximale Wertschöpfung für den Markeninhaber. Demokratische Nebenwirkungen? Nicht im Geschäftsmodell vorgesehen.

Der Wiederwahlkampf 2024 – mit Erfolg gekrönt – zeigte das in aller Deutlichkeit: Hier wurde keine politische Agenda verhandelt, sondern eine Markenkampagne inszeniert. Die Marke wurde emotional aufgeladen, mobilisierte alte Fans und gewann neue, weil sie – wie alle starken Marken – ein attraktives Versprechen gab: Zugehörigkeit, Bedeutung, Dominanz. Trump™ als love brand mit unbegrenzt loyaler Kernkundschaft und neugierig-naiven Gelegenheitskäufer*innen. Die klassische Wählerschaft wurde zur Zielgruppe. Die politische Auseinandersetzung zur Marktanalyse. Und die Demokratie zur Werbefläche. „Make America Great Again“ war nie ein politisches Programm. Es war ein Slogan. Und wie jeder gute Slogan: anschlussfähig, leer, anschlussfähig leer.

Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit hat Trump™ das Prinzip der Markendehnung auf die Spitze getrieben: die Besetzung von Kultureinrichtungen mit loyalen Funktionären, die Schwächung unabhängiger Justiz, die Auflösung institutioneller Kontrollinstanzen – all das folgt einer Logik, die man aus der Welt globaler Konzerne kennt: Wenn der angestammte Heimmarkt schrumpft, wird die Expansion ins Unbekannte, Ungenutzte und Unregulierte attraktiv. So richtet sich der Blick nach außen: Grönland als geopolitischer Claim, Kanada als ideologisches Feindbild, Panama als Drehkreuz. Die Marke Trump™ expandiert nach außen, damit die Marktschrumpfung innen („white, Christian, male“) verkaufbar bleibt: Make America Small Again.

Dabei bleibt das Design vertraut: Inszenierung von Feindbildern, moralische Umwertung von Tatsachen, permanente Selbstvermarktung. Politische Gegner werden als Markenfälscher diffamiert. Kritik als Rufschädigung verklagt. Alles wird Teil der Show. Die Marke lebt vom Skandal. Und der Skandal ist das Produkt. Konsument*innen, die sich verweigern, gelten als Bedrohung. Loyalität ist nicht mehr überzeugt, sondern gefordert. Die politische Markenerfahrung wird zur ideologischen Zwangsbeglückung. Während die Marke floriert, verschwindet die Verfassung leise von der Bühne – Nation Branding als PR-taugliche Tarnung für den langsamen Zerfall der Demokratie von innen heraus.

Was also tun? Aufklärung allein scheint nicht zu reichen. Fakten perlen an der Marke Trump™ ab wie Wasser an Teflon. Satire verliert an Schärfe, wenn die Realität sie überholt. Der politische Wettbewerb hat oft nur zwei Reaktionen zu bieten: Anpassung oder Verzweiflung. Widerstand bleibt dann nur noch möglich im Geist von: Wir haben keine Chance. Lasst sie uns nutzen!

Die Markenanalyse zusammengefasst: Zunächst lässt sich Trump™ noch sachlich analysieren. Dann ironisieren. Später bleibt nur Zynismus: die Kampagne als System, das System als Kampagne. Und schließlich Sarkasmus: eine Markenstrategie, die in die autoritäre Selbstauflösung führt. Vielleicht hilft Humor, das Ganze auszuhalten – aber das Lachen erstickt. Das Branding ist vergiftet. Und die Pointe? Bitterer Ernst.

Ohne viel Hoffnung bleibt nur ein modest proposal: Trump™ als Limited Edition einstampfen. Kein Re-Release. Kein Collector’s Item.

23. Mai 2025
Ein Beitrag von:

Prof. Dr. Jürgen Häusler ist Honorarprofessor für strategische Unternehmenskommunikation an der Universität Leipzig. Bis zum Eintritt in den Ruhestand 2015 war er Chairman bei Interbrand Central and Eastern Europe, und hat Unternehmen und Organisationen weltweit bei der Entwicklung von Marken beraten. Als Sozialwissenschaftler hat er u.a. am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln gearbeitet.

Kontakt: juergenghaeusler@gmail.com

 

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