«Make Ameri­ca Great Again!»­ Oder: Die Marken­macher­*in als Hofnarr?

A Modest Proposal
[atlasvoice]

Es gibt sie: Eine Organisation, die weltweit die Marke USA anpreist. Auch jetzt: «Brand USA» (https://www.thebrandusa.com/) sucht weitere Mitarbeiter*innen. Zumindest noch. Als eine «Public-Private Partnership» finanziert die Bundesregierung «Brand USA» zur Hälfte. Noch sind die Musketeers - die «Young men with smirking profile photos and scandalously thin curriculum vitae […] the shock troops of the so-called Department of Government Efficiency (DOGE)» (Quinn Slobodian in: New York Review of Books, February 15, 2025) - nicht bei «Brand USA» in Washington, D.C. aufgetaucht, um «Verschwendung, Missbrauch und Ineffizienz» aufzudecken und zu reduzieren (das Budget von «Brand USA» für 2025: 250 Mio. US-Dollar).

Die unmittelbare Zukunft von «Brand USA» als Organisation steht hier nicht zur Diskussion. Möge sie und mögen die Mitarbeitenden den Trumpschen «Krieg gegen die Bürokratie in Washington» einigermassen wohlerhalten überleben.

Weit wichtiger: der konkrete Fall wirft ein Schlaglicht auf das Konzept und die Technik des Nation Branding generell. Grundlegend: Der enge Zusammenhang von Marke und Angebot gehört zu den unumstrittenen Erfolgsfaktoren des Markenmachens. Wie also passen der «Ugly American» (die aktuellen Markenerlebnisse mit Trump, Vance, Hegseth, Kennedy und anderen illustren Mitgliedern des Team Trump legen diese Markenpositionierung nahe) zusammen mit dem Versuch, die USA als unter anderem einladend, partnerschaftlich und inklusiv darzustellen (wie es die Website von «Brand USA» suggeriert). Klafft da nicht eine kolossale Glaubwürdigkeitslücke zwischen den Markenversprechen des «Vorstands USA» und der «Markenabteilung USA»? Klassische Markentechniker würden diese Lücke als unüberbrückbar ansehen und damit den Prozess der Markenbildung als hoffnungslos bezeichnen.

Müsste also der «CMO» (hier: der Präsident und CEO von «Brand USA») angesichts der Hoffnungslosigkeit seiner Mission zurücktreten? Es sieht bisher nicht danach aus.

Wiederum ist der konkrete Fall lediglich der Anlass, um die Herausforderungen des Nation Branding allgemeiner zu beschreiben und zu diskutieren. Nation Branding basiert konzeptionell darauf, dass die Nation (als das umfassende Angebot) und die Marke (als das spezifisch vermarktete Angebot oder Produkt) nichts miteinander zu tun haben (müssen). Nicht die Nation soll zur Marke werden. «Brand USA» versucht interessanterweise auch gar nicht, die USA als Marke zu definieren. Es geht viel bescheidener darum, das Tourismusziel USA in ein positives Licht zu rücken. Letzteres hat nichts mit dem Bild der Nation USA zu tun, wie es die «Staatsführung» kommuniziert und wie es die Aktivitäten dieser Staatsregierung erlebbar machen. So kann das gelieferte Bild des «Ugly American» und das gewünschte Image der USA als «friendly, welcoming, supportive and inspiring» koexistieren. So können Partnerstaaten vor den Kopf gestossen, verunglimpft, erpresst oder bedroht werden und gleichzeitig deren Bewohner*innen umworben werden. So können Armut und Elend, Gewalt und Konflikt die Konstruktion des Ferienparadieses USA nicht stören. So können die einen als Tourist*innen freundlich eingeladen und die anderen als unerwünschte Menschen brutal rausgeworfen werden. So können für die einen Einreiseprozesse «kundenfreundlicher» gestaltet und die anderen gewaltsam, rechtswidrig und menschenverachtend «rückgeführt», «deportiert», «abgeschoben» oder «ausgeschafft» (so die Euphemismen ganz im Sinne des orwellschen Neusprech) werden.

Dies legt einen ersten Schluss nahe: das Konzept «Markenentwicklung» hat im Zusammenhang mit Nationen und Nationalstaaten nichts verloren. Selbst der Doyen des Nation Branding thematisiert inzwischen bewundernswert offen und deutlich die Defizite des Konzepts und fragt: «has it all been a big misunderstanding?» (Simon Anholt in: Place Branding and Public Diplomacy (2024) 20: 4–69). Etwas moderater könnte das Urteil also lauten: es handelt sich um einen Misnomer. Aber es ist ein sehr lukrativer Misnomer. Ein ganzer Industriezweig lebt davon. Eine wachsende wissenschaftliche Disziplin geniesst ihren Erfolg. Der Klang des Begriffs ist attraktiv für politische Kreise und für Medienschaffende, da er beispielsweise Professionalismus und Modernität suggeriert.

Abschliessend daher: Nation Branding is here to stay (and grow). Für Markenmacher*innen erwächst daraus als Chance die Rolle des Hofnarren (siehe: https://www.br.de/­mediathek/­podcast/­radiowissen/d­er-hofnarr-legende-­und-wahrheit-­1/1803710). Wir sollten, so mein modest proposal, diese Rolle dann in seiner ganzen Komplexität und mit all seinen Ambivalenzen ausfüllen. Nicht nur als hochbegabte Unterhaltungskünstler*innen mit begrenztem, niedrigem Status. Wir sollten unsere gewonnene Narrenfreiheit ausnutzen, um auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Beispielsweise: «Diese USA, Donald, ist wahrhaftig nicht vermarktbar.» Allerdings: wir können offensichtliche Torheiten (die aktuelle USA als Ferienparadies preisen) nicht in tiefere Weisheiten verwandeln – aber nur dann könnten wir als Nation Brander den Status eines modernen Hofnarren ernsthaft beanspruchen.

3. März 2025
Ein Beitrag von:

Prof. Dr. Jürgen Häusler ist Honorarprofessor für strategische Unternehmenskommunikation an der Universität Leipzig. Bis zum Eintritt in den Ruhestand 2015 war er Chairman bei Interbrand Central and Eastern Europe, und hat Unternehmen und Organisationen weltweit bei der Entwicklung von Marken beraten. Als Sozialwissenschaftler hat er u.a. am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln gearbeitet.

Kontakt: juergenghaeusler@gmail.com

 

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