Die Stadt als Marke. (6/6)
Eine Serie von sechs Beiträgen.
Es dürfte der Traum jeder ambitionierten Markenmacher*in sein: eine Stadt zu einer starken Stadtmarke zu machen. Ganz sicher eine hochgradig faszinierende Aufgabe. Aber ist es realistisch, dass Städte zu Marken gemacht werden können? Noch weitergehender: Ist es wünschenswert, dass Städte zu Marken gemacht werden?
Adressiert werden diese Fragen in sechs Beiträgen, die fortlaufend in the business of brand management erscheinen. Die Beiträge sind jeweils Ausschnitte aus Häusler und Häusler: Wie Städte zu Marken werden, Springer Gabler 2023 https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-41456-6 (englische Fassung 2024 https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-43776-3). Die Beiträge sind jeweils leicht gekürzt und bearbeitet.
«Practical work well done».
Am Ende ist noch ein Generalangriff auf die identitätsbildenden Eckpfeiler der Sozialfigur Markenmacher*in gefordert. Bescheidenheit gehört sicher nicht zu den wesentlichen Charaktereigenschaften der Berufsgruppe in ihren drei konstitutiven Ausprägungen: Gestalter*in, Berater*in oder Manager*in. Und doch gilt: die Markenmacher*in „in the city acquires honour by practicing in a way whose terms are modest“ (Sennet, R.: Building and dwelling. Ethics of the city, Farrar, Straus and Giroux 2018, S. 13).
Was mag damit gemeint sein? Der innere Kompass der Markenmacher*in muss umgepolt werden: von big, fast und arbitrarily hin zu slow, cautious und local. In vielfacher Hinsicht eine Zumutung. Der klare Plan müsste dem Vertrauen auf evolutionäre Entwicklungen weichen. Das zielstrebige und zügige Vorgehen müsste einem situativen Vorantasten vom „possible to the doable“ den Vorzug geben. Den Betroffenen müsste zugestanden werden, dass sie handlungsfähig sind und Mitbestimmungsrechte haben (agency und ownership bei der und für die Stadtbevölkerung). Darüber hinaus müssten die Stadtmarkenmacher*innen damit leben, dass Stadtmarken – weit über das trendige co-creation hinaus – von zahlreichen Autor*innen gestaltet werden und sich in ihren Ausprägungen aus vielen Quellen speisen. Übrig könnte und müsste der Anspruch bleiben „to do good-quality work“. Insgesamt steht dieser geforderte Pragmatismus bei der Entwicklung von Stadtmarken wohltuend provokativ im starken Kontrast zur medial weitverbreiteten (Selbst-)Stilisierung der praktizierenden Handwerker*innen als allwissende und -mächtige ‚Gurus‘.

Foto: Wolfgang Fach
Wenn hier Regeln für gutes Stadtmarkenmachen – „practical work well done“ – formuliert wurden, dann sind diese zu verstehen als Daumen- oder Faustregeln. Sie ergeben sich aus dem positiven Zusammenspiel von …
• realistischen Einschätzungen der städtischen Gegebenheiten. Diese schließen auch schräge Mischungen und krumme Wege ein. Widersprüche und Unwägbarkeiten prägen den Gegenstand des Bemühens (Stadt), aus ihm (ihr) eine Marke zu machen.
• idealistischen Vorstellungen der möglichen städtischen Zukünfte. Man befindet sich dann notwendigerweise im Kampf mit „brutal simplifiern“ (Jacob Burckhardt), gestaltet den Prozess und versteht das Ergebnis der Markenentwicklung (weitgehend) offen.
• pragmatischem Verhalten, wenn es darum geht, angemessen bescheiden gutes Handwerk des Markenmachens abzuliefern: „proactive urbanism can combine with ethical modesty“.
Über allem schwebt eine Gewitterwolke, ein dialektisches Element des Stadtmarkenmachens. Die (vermeintliche) Entwicklung einer (sogenannten) Stadtmarke könnte – an einem Extrempunkt – irrelevant, unnütz und verschwenderisch sein. Eine Stadtmarke kann – andererseits – erfolgreich für die externe Vermarktung der Stadt sein, gleichzeitig aber höchst bedenkliche Auswirkungen auf das Stadtleben zeitigen. Die Entwicklung und Stärkung von Stadtmarken unterliegt offensichtlich dem Gesetz des abnehmenden (oder sogar negativen) Grenznutzens. Der Schlachtruf wäre dann: Die Stadt ist tot. Lang‘ lebe die Stadtmarke (das Venedig-Syndrom). Stadtmarken ähneln an diesem Punkt Medikamenten: in zu hoher Dosierung drohen sie schädlich (oder tödlich) zu werden. Man kann bekanntlich die Suppe auch versalzen. Es gibt – wenn es um das Stadtmarkenmachen geht – so etwas wie too much of a good thing.
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