Identität, Marke, Zukunft (IV)

PERSPECTIVES
[atlasvoice]

Eine Diskussion mit KI als Experiment.

In den drei vorangegangenen Interviewteilen hatten wir den Chinesischen Chatbot DeepSeek als Gesprächspartner. Aber es gibt eine ganze Anzahl von KI-Angeboten und die Frage, die sich stellt, ist die, ob sich da Unterschiede zwischen den Antworten verschiedener Chatbots feststellen lassen. Um unser Experiment, von KI zu erfahren wie sich Themen wie «Identität, Marke, Zukunft» entwickeln werden, haben wir zum Schluss vier verschiedene Chatbots im Vergleich die gleichen Fragen gestellt: Was ist eine Marke und was wird ihr Stellenwert in der Zukunft sein?

Wenn wir davon ausgehen, dass die unterschiedlichen Chatbots mit verschiedenen Methoden trainiert werden und vermutlich auch unterschiedliche Quellen berücksichtigen, sind eigentlich auch verschiedene Antworten zu erwarten. Auch stellt sich die Frage, wie sich eine US-amerikanische Auffassung im Vergleich mit einer Chinesischen (und umgekehrt) verhält. Erstaunlicherweise mussten wir feststellen, dass auf unsere Fragestellung bezogen die Antworten praktisch identisch waren. Was sie unterscheidet, ist eher der sprachliche Stil. So haben wir uns entschieden nur die jeweilige Zusammenfassungen der vier Chatbots hier zu publizieren.

ChatGPT OpenAI

Fazit: Eine Marke ist nicht (nur) das, was ein Unternehmen sagt, sondern das, was Menschen fühlen. In der Zukunft wird sie zum Vertrauensanker, Kulturträger und Community-Building-Instrument – gerade in einer immer komplexeren, digitalen Welt.

Gemini (Google KI)

Fazit: Die Zukunft von Marken liegt in ihrer Fähigkeit zur Transformation. Marken müssen sich von blossen Produktanbietern zu authentischen, wertebasierten und hyper-personalisierten Erlebnisgestaltern entwickeln. Letztlich werden jene Marken erfolgreich sein, die es schaffen, eine echte, emotionale Verbindung zu ihren Zielgruppen aufzubauen und sie als Teil einer gemeinsamen Geschichte und Wertekultur zu involvieren. Es ist eine Zukunft, in der die Beziehung zum Kunden und die Markenrelevanz durch sinnvolle Interaktionen definiert werden.

Microsoft Copilot

Fazit: Eine starke Marke vermittelt Werte, schafft Vertrauen und kann Emotionen wecken, wodurch sie eine treue Anhängerschaft aufbaut. In Zukunft werden Marken eine nochgrössereRolle spielen, besonders in einer Welt, die von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz geprägt ist.

DeepSeek

Fazit: Die Marke der Zukunft ist ein lebendiges Ökosystem – weniger Monolog, mehr Co-Creation mit Kundinnen und Kunden. Wer es schafft, echte emotionale und funktionale Mehrwerte zu verbinden, wird langfristig gewinnen.

Was können wir aus diesem Experiment lernen?

Wenn wir davon ausgehen das, zumindest in Theorie, die Künstliche Intelligenz über «alles» Wissen verfügen wird, könnte man auch so etwas wie eine komplette Objektivität erwarten. So stellt sich die Frage, ob KI-Antworten «objektiv» sein können oder doch geprägt sind von der unsichtbaren Hand der Architektur ihrer Algorithmen. Die Wahrheit liegt vermutlich dazwischen, denn viele KIs trainieren auf ähnlichen Daten (z.B. öffentliche Texte, Bücher, Websites) doch entscheidend sind auch Filter und Bias (fehlerhafte Daten und/oder deren Verarbeitung) der Entwickler. Welche Inhalte wurden ausgeschlossen (z. B. DeepSeek trainiert auf chinesischen und westlichen Quellen, andere Tools vielleicht auf Englisch und Deutsch). Nach dem Basistraining passen spezialisierte Teams KI an, etwa für «neutralen Ton» oder einen bestimmten Sprachstil. So wird beispielsweise ein KI-Programm für Ingenieure anders antworten als eines für Musiker.

Gehen wir also davon aus, dass verschiedene Programme nicht identisch antworten (was in unserem Fall nur bedingt feststellbar war), dann ist das ist kein Fehler, sondern eine Chance. Wie in einem guten Seminar lernt man am meisten, wenn mehrere kluge Köpfe ihre unterschiedlichen Meinungen vertreten. Ein Chatbot bietet eine bestimmte Denkweise an, andere KIs ergänzen sie – eigentlich wie im richtigen Leben. Um zu neuen Gedanken und Konzepten zu kommen muss man fragen, vergleichen, überprüfen, vertiefen und verschiedene Perspektiven einnehmen, und zwar mit oder ohne Chatbot.

Was können wir aus diesem Dialog mit KI mitnehmen?

Die Diskussion mit DeepSeek hat eine ganze Anzahl von Aspekten aufgezeigt, über die es sich lohnt, vertiefter nachzudenken. Was sehr klar erscheint, ist die Tatsache das es viel Veränderung geben wird – vielleicht nicht so stark an den Grundsätzen aber desto stärker im Denken, in der Umsetzung oder im Umfeld. Da reicht keine scheinheilige «Change Mentalität» mehr aus, wie sie seit Jahren als Ritual verkündet wird. Hier geht es wirklich um Disruption (nach Duden: einschneidende (meist destruktive) Veränderung), was wiederum zu grösseren Herausforderungen führen wird. Wir kennen den Kodak- beziehungsweise den Nokia-Effekt, diese Gefahr wird in verschiedenen Branchen unterschiedliche Unternehmen herausfordern. Diese Tatsache kann man annehmen oder ablehnen aber nicht umgehen. Hier ein Versuch die wichtigsten Punkte die KI uns mitgeteilt hat, aus unserer subjektiven Sicht, zu signalisieren.

Unternehmen und Identität in der Zukunft

Die Grenze zwischen Produzent und Konsument verschwimmt weiter. Unternehmen der Zukunft müssen also beides meistern: die technologische Effizienz von KI und die menschliche Fähigkeit, Bedeutung zu generieren. Vielleicht werden wir am Ende weniger Firmen im heutigen Sinne sehen, sondern dynamische Netzwerke, die sich je nach Aufgabe neu konstituieren.

Hier ein paar Stichworte aus dem Interview:

  • Die gesellschaftliche Entscheidung über Technologie und Umwelt ist identitätsstiftend
  • Unternehmen als Netzwerke: Vom Monolith zum «Living System»
  • Identität wird prozesshaft statt statisch
  • Vertrauen durch Transparenz und Identität als Service – nicht durch Kontrolle
  • Identität als offenes Projekt: Die entscheidende Grenze Authentizität wird zum Luxusgut

Zum Thema Identitätsentwicklung

Nachhaltigkeit wird vom Marketinginstrument zum nicht verhandelbaren Kernbestandteil jeder Marke werden. Konsumenten werden Transparenz fordern – von Lieferketten bis zum CO2-Fussabdruck. Menschen werden sich in immer komplexeren Umwelten verorten müssen, während Marken nicht mehr nur Produkte verkaufen, sondern Sinn stiften und Teil von kulturellen Narrativen werden müssen. Die Frage ist also nicht nur, wie die Zukunft aussieht, sondern wie wir uns darin positionieren wollen.

Stichworte aus dem Interview:

  • Die Identität der Zukunft ist ein Vertrag zwischen Menschen, Maschinen und Märkten
  • Die neue Rolle der Moderation: KI als Katalysator
  • Breite ist nicht Beliebigkeit: Der definierte Rahmen bestimmt
  • Das Risiko: Identitäts-Overload
  • Die Grundidee als genetischer Code der Identität
  • Werte als Spielregeln für Partizipation und die Vision als Magnetfeld
  • Die Frage nach Autorität: Es braucht eine Instanz, die den Kern schützt

Vom Inhalt zur Form

Wir erkennen, dass in einer komplexeren Welt Wiedererkennbarkeit ein fundmentales Element sein wird, was wiederum den Gestaltungsprozess vom Inhalt (Identität) zur Form (Erscheinung) herausfordert. Auf der einen Seite entstehen durch KI-Möglichkeiten radikal systematisch vorzugehen, was dann wieder nach Subjektivität fragt, um notwendige, typische Eigenständigkeit zu generieren. Hier werden durch KI-Tools ganz neue Dimensionen eröffnet, die Gestalterinnen und Gestalter vor komplett neue Herausforderungen stellen werden.

Ein paar Aspekte aus dem Interview:

  • KI als Übersetzungsmaschine
  • Dynamische Wiedererkennbarkeit – Orientierung in der Flut
  • KI als Meisterlehre für Gestaltung und Intuition als Filter
  • Die neue Rolle der KI vom Tool zum «Creative Sparring Partner» aber auch als Design-Gedächtnis – von der Historie zum Co-Denken
  • Warum Tools zu Mittelmässigkeit neigen (und wie man es umgeht)
  • Die neue Funktion von Kreativen: Von der Gestalterin oder dem Gestaltern zum Kurator und Kultur-Dolmetscher
  • Kultur als Code oder wie KI «Stil» decodiert

Diese Diskussion entstand im Dialog mit DeepSeek Chat, https://www.deepseek.com  (Version Mai 2025) zwischen dem 14. Juni und dem 1. Juli 2025 – als Gedankenexperiment zur Zukunft von Identität und Marke.

Anmerkung: Die Aussagen von DeepSeek wurden weder sprachlich noch inhaltlich überabeitet. Die hier gemachten Aussagen entsprechen vollkommen der KI-Version dieser Diskussion.

Zusätzlich zu DeepSeek wurden noch Chat GPT OpenAI, Gemini (Google KI) und Microsoft Copilot befragt.

26. Juli 2025
Ein Beitrag von:

Als Designer und Berater hat Peter Vetter seit fast 60 Jahren in Italien, Deutschland, Schweiz, Japan, den USA und China für erfolgreiche Marken und Institutionen unter anderen La Rinascente, JCPenney, BMW Group (weltweit), IBM, Clifford Chance, Ministero della Cultura (Italien), Autorità Portuale di Palermo, Museum of Fine Arts Houston, Zentrum Paul Klee oder der Stadtverwaltung Rapperswil-Jona, gearbeitet. Zunächst mit seinem Studio BBV in Mailand, dann als Partner und Creative Director von Zintzmeyer & Lux, als Senior Vice President von Vignelli Associates und seit 1999 zusammen mit Katharina Leuenberger mit dem Studio Coande – Communication and Design in Zürich.

Peter Vetter war Präsident des Verbandes Schweizer Grafiker, Dozent und Leiter der Abteilung Visuelle Kommunikation (BA und MA) an der Zürcher Hochschule der Künste und half beim Aufbau einer internationalen Designhochschule in Shenzhen (China), wo er bis heute tätig ist. Er ist Autor verschiedener Publikationen, darunter „Kein Stil – Ernst Keller 1891–1968” und „Design als Investition – Design und Kommunikation als Management Tool”. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet und in allen renommierten internationalen Medien veröffentlicht.

Kontakt: p.vetter@coande.com
Website: www.coande.com

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