Eine Welt ohne Marken
Was bleibt, wenn Marken eines Tages verschwinden? Ein Gedanke über Sinn, Seele und Verantwortung in einer glatten Welt … mehr.
Seit nunmehr 25 Jahren arbeite ich daran, Marken stark zu machen. Domizlaff, Deichsel, Zernisch, das Forum Markentechnik (shout out an Peter Sumerauer) und seit einem Jahr der Brand Club, um nur einige zu nennen. Immer haben mich Menschen und Bücher angezogen, die mich auf der Suche nach der Bedeutung von Marken inspiriert, begleitet und angeleitet haben.
Von Zeit zu Zeit passiert es mir, dass ich mir die Sinnfrage stelle. „Warum mache ich Markenarbeit? Welchen Beitrag leiste ich damit überhaupt?“ Vielleicht geht es euch auch so, wenn ihr mal wieder eine schlechte Kampagne seht oder ein Produkt, bei dem ihr sicher seid, dass es die Welt nicht braucht. Etwas völlig Sinnentleertes, Hohles, ohne Geist, ohne Tiefe. Und trotzdem wird es massenhaft gekauft und konsumiert. Ich frage mich dann, ob das richtig ist, was ich da tue, Unternehmen zu helfen, eine starke Marke aufzubauen. In diesen Augenblicken gehe ich in mich.
Und dann frage ich mich, was passieren würde, wenn Marke einfach verschwände. Nicht verblassen oder an Bedeutung verlieren, sondern wirklich aufhören zu existieren.
Kommt mal mit auf diese Reise: Stellen wir uns also eine Welt vor, in der Marken keine Rolle mehr spielen. Keine Logos, keine Kampagnen, keine Stories. Produkte erklären sich selbst, Daten sind vollständig transparent, jede Entscheidung basiert auf Fakten, nicht auf Gefühl. Eine Welt ohne Ungewissheit, ohne Suggestion. Perfekt rational, perfekt gleich. Dann bräuchte es kein Symbol mehr, das mir Orientierung gibt. Keine Geschichte, die mir Bedeutung verleiht. Gesellschaftlich wäre das die logische Endstufe einer technokratischen Transparenzgesellschaft (Byung-Chul Han lässt grüßen).
Denn Marken entstehen ja genau dort, wo Unsicherheit beginnt. Wo wir etwas fühlen, das wir nicht berechnen können: Vertrauen, Sehnsucht, Zugehörigkeit. Wenn diese Zwischenräume verschwinden, verschwindet auch die Marke. Wenn also alles sichtbar, messbar und sicher wäre, verlöre die Marke ihren Zweck. Nietzsche hätte dazu gesagt: „Das Tier ohne Metaphern.“ Der Mensch müsste sich nicht mehr über Zeichen oder Unterschiede definieren. Er wäre reine Funktion, reiner Prozess. Vielleicht klingt das effizient. Für mich klingt es leer.
Und dann weiß ich es wieder. Denn als Markentechniker ist mir klar: Selbst in so einer Welt wäre Marke nicht tot, sondern absorbiert. Wenn Marken verschwänden, würde etwas anderes an ihre Stelle treten. Vielleicht Systeme, vielleicht Codes, vielleicht Algorithmen. Marke als stille Instanz im Hintergrund. So wie heute Strom oder Internet: allgegenwärtig, unsichtbar, selbstverständlich. Der Mensch selbst wäre der Träger der Marke oder eben die Maschine, die sie ersetzt. Der Kipppunkt zwischen Humanismus und Technokratie wäre erreicht.
Denn ich glaube, Marken sind letztlich nichts anderes als Spiegel unseres Bewusstseins. Sie erzählen davon, wie wir die Welt sehen wollen und manchmal auch, wie wir sie fürchten. Solange wir also fühlen, vergleichen, träumen, wird es Marken geben. Nicht als Logos oder Kampagnen, sondern als Haltung, als menschliche Erinnerung daran, dass Sinn nicht programmiert werden kann. Vielleicht ist genau das meine größte Sorge: eine Welt, in der jede Oberfläche glatt, jede Struktur transparent, aber nichts mehr berührbar ist. Eine Welt ohne Schatten – und damit ohne Seele.
Also, kämpfe ich in meiner Arbeit dafür, dass Marken ihre Seele behalten, weil sie das Menschliche spiegeln: das Unvollkommene, das Suchende. Was ich mir dabei wünsche, sind Unternehmen, die mehr wollen als nur Oberfläche oder Wachstum in Zahlen. Denn dort, wo es nur noch um „mehr verkaufen“, um „mehr Geld“ geht, verliert alles an Tiefe und am Ende an Menschlichkeit.
Und dann weiß ich es wieder, genau hier liegt der Sinn meiner Arbeit.
Denn diese Sicht auf Marke als etwas, das das Menschliche bewahrt, kann helfen, Planet, People und Profit wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wenn wir verstehen, dass Marken nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle und soziale Kräfte sind, dann wird klar, dass Sinn und Verantwortung zusammengehören.
Was denkt ihr?
Wie seht ihr die Zukunft der Marke – als Symbol, System oder etwas ganz anderes?
Ich freue mich auf eure Gedanken.

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